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Kellerei Am Turm in Speyer: Pfälzer, die Wein in Sekt verwandeln

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Von Klaus Pfenning

Speyer. Viele Winzer und die meisten Genossenschaften haben auch Sekt im Angebot. Die wenigsten stellen ihn jedoch auch selbst her. Größter "Lohnversekter" in Deutschland mit einer Produktion von sieben Millionen Flaschen im Jahr ist die Sektkellerei Am Turm in Speyer.

Mit der Wein- und der Sektherstellung ist es wie mit Alpinskifahren und Skilanglauf: Beide sind eng miteinander verwandt und doch ganz unterschiedlich. Soll heißen: Nicht jeder Winzer kann oder will seinen Sekt selbst herstellen. Oder er scheut die beträchtlichen Investitionen, die damit verbunden sind. Genau dies ist die Geschäftsgrundlage der Sektkellerei Am Turm in Speyer. Gegründet hat sie 1995 der Önologe und Geisenheim-Absolvent Bernhard Krack, der zuvor in leitender Position bei der überregional bekannten Sektkellerei Wachenheim tätig war.

Der anfängliche Ein-Mann-Betrieb produzierte zunächst in den historischen Gebäuden der Villa Eckel in Deidesheim. Ein kleines Türmchen auf dem Grundstück gab der Kellerei den Namen. Gut zehn Jahre später war die Produktion bereits auf die stolze Menge von 3,5 Millionen Flaschen pro Jahr angewachsen. Die Villa schien aus allen Nähten zu platzen. Daher kaufte das Unternehmen die Gebäude und Produktionsanlagen der Sektkellerei Kurpfalz in Speyer. Der Ableger von Henkell & Söhnlein verlagerte damals seine Aktivitäten an den Firmensitz des Getränkemultis nach Wiesbaden.

"Etwa 80 Prozent aller Weinbaubetriebe lassen ihre Grundweine von Dienstleistern versekten", gibt Bernhard Krack einen Einblick in den Markt. Unter den 600 Auftraggebern der Speyerer Lohnversekter sind etliche deutsche Spitzenwinzer, dazu viele Mittelklasse-Betriebe, Genossenschaften und Kellereien aus allen 13 deutschen Anbaugebieten. "Wir verarbeiten sogar Grundweine aus den Niederlanden und Belgien", ergänzt Mitgesellschafter Hans Peter Wilsberg. Der Klimawandel lasse auch in diesen Breitengraden zunehmend bessere Qualitäten reifen.

Sekt wird grundsätzlich immer nach dem gleichen Verfahren hergestellt. Als Rohstoff dient ein "stiller" Grundwein, dem für eine zweite Gärung Zucker und Hefe zugesetzt wird. Wie in jedem Gärprozess verwandelt sich auch hier der süße Stoff in Alkohol und Kohlensäure. Während dieses Gas bei der herkömmlichen Weinbereitung aus dem Gärbehälter entweicht, bleibt sie bei der Sektherstellung mit einem Druck von sechs Bar dort zurück.

Bei preiswerten Sekten ist dieser Behälter ein großer Tank mit einem Fassungsvermögen von oft zigtausenden Litern. Höhere Qualitäten werden direkt in der Flasche vergoren, was aufgrund der deutlich kleineren Menge automatisch zu einem höheren Preis führt. Zumal die Hefe mit dem sogenannten "Degorgieren" aufwendig aus der Flasche wieder entfernt werden muss.

Eine Zwischenlösung ist das sogenannte Transvasier-Verfahren: die Gärung erfolgt zwar in der Flasche, vor der Abfüllung fließt der prickelnde Stoff aber wieder zurück in den Tank. Anstatt "Traditionelle Flaschengärung" darf dann aber nur der Begriff "Flaschengärung" auf dem Etikett stehen. Der immer beliebter werdenden Secco kommt ganz ohne eine zweite Gärung: wie beim Sprudelwasser wird die Kohlensäure einfach von außen zugesetzt.

Bei der Speyerer Sektkellerei macht dieser trendige Perlwein, der oft auch noch mit Fruchtaromen versetzt wird, rund 40 Prozent der gesamten Produktion aus: fast drei Millionen Flaschen. "Aus Qualitätsgründen achten wir streng darauf, dass sie auf einer anderen Linie als die Sekte abgefüllt werden", sagt Hans Peter Wilsberg. Gerade einmal 400.000 Flaschen sind es bei der hochwertigen traditionellen Flaschengärung, gut viermal soviel beim Transvasierverfahren. Eine Million Flaschen versektet die Kellerei in Eigenregie und verkauft sie weiter, darunter auch an Winzer. Weil die verwendeten Grundweine jedoch von verschiedensten Lieferanten stammen, dürfen die Vermarkter nicht die verkaufsfördernde Bezeichnung "Winzersekt" auf das Etikett schreiben. Dies dürfen sie nur, wenn sie die Trauben selbst angebaut haben. Auch wenn sie nicht im eigenen Keller, sondern in Speyer in Sekt verwandelt wurden.

600 Kunden, oftmals mehrere Grundweine und gewünschte Geschmacksrichtungen pro Auftraggeber, Losgrößen von teilweise nur 300 Litern, "das bedeutet bei uns Rüstzeiten ohne Ende", beschreibt es Bernhard Krack. Zehn bis zwölf Umrüstungen der Abfüllanlagen pro Tag seien keine Seltenheit. Um die Logistik, also das Anliefern der Grundweine und das Abholen der Flaschen, kümmern sich die Kunden selbst. Wie der Sekt letztlich schmecken soll, wird vor Beginn des Produktionsprozesses genau festgelegt. "Manchmal lehnen wir einen Grundwein auch ab und sagen: der passt einfach nicht", bringt der gelernte Winzer und Sektmacher Krack seine langjährige Expertise ein.

40 Mitarbeiter beschäftigt die Sektkellerei. Der Jahresumsatz liegt bei rund zehn Millionen Euro, die Sektsteuer von 1,02 Euro pro Dreiviertel-Liter-Flasche nicht mit eingerechnet. Bei der Frage nach dem Ertrag hüllen sich die Gesellschafter in mittelständisches Lächeln und Schweigen. Zum Anstoßen mit einer Magnumflasche aus traditioneller Flaschengärung dürfte es vermutlich reichen.


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