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Südzucker: Die Zuckerbranche ist in der Krise

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Von Barbara Klauß

Mannheim. Von einer "beispiellosen Krise" ist die Rede, von Milliarden-Verlusten und gefährdeten Arbeitsplätzen: Die Zuckerbranche ist in Aufruhr. Sowohl die Industrie als auch die Zuckerrübenbauern stehen unter Druck. So waren etwa bei Europas größtem Zuckerproduzenten, dem Mannheimer Südzucker-Konzern, im vergangenen Jahr Umsatz und operatives Ergebnis eingebrochen.

Und auch für das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres meldete der S-Dax-Konzern am Mittwoch deutliche Einbußen. Mehrere Werke sollen geschlossen, 700 Arbeitsplätze abgebaut werden. Konkurrent Nordzucker hat das abgelaufene Geschäftsjahr sogar mit einem Minus vom 58 Millionen Euro abgeschlossen.

"Der Zuckersektor in Deutschland steckt in einer tiefen Krise", erklärte gestern die "Wirtschaftliche Vereinigung Zucker", in der Verbände der rund 27.000 Rübenbauern, die vier Zucker erzeugenden Unternehmen und Firmen des Zuckerhandels zusammengeschlossen sind. Die Gründe aus ihrer Sicht: eine "politisch gemachte Wettbewerbsverzerrung", künstlicher Preisdruck durch subventionierten Zucker aus Drittstaaten und eine ungleiche Praxis bei der Zulassung von Insektiziden innerhalb der EU. "Der EU-Kommission fehlt offensichtlich der echte politische Wille, zur Lösung der Zuckerkrise beizutragen", teilte der Verband mit.

Hintergrund ist das Ende der EU-Zuckermarktordnung im Oktober 2017, die den Markt kräftig durcheinandergewirbelt hat. 50 Jahre lang hatte die Verordnung Mindestpreise für Zuckerrüben und Produktionsquoten vorgeschrieben. Nun sind Exporte unbegrenzt möglich und Zuckerhersteller einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt. Der Weltmarkt schlägt härter durch.

Was der Industrie zu schaffen macht, war aus Sicht der Kunden längst überfällig. Zumal mancher Kritiker die Quote ohnehin als Einschränkung des Wettbewerbs sah. Manch einer sprach sogar von einem "planwirtschaftlichen" System. "Wir waren immer gegen eine Abschottung des europäischen Zuckermarkts", erklärte der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie, Torben Erbrath, im vergangenen Jahr. Die künstliche Mengenverknappung durch die starre Zuckerquote habe in der Vergangenheit zu extrem hohen Preisen und Zucker-Engpässen geführt.

Gewinner sind nun die Verbraucher: Mussten sie vor drei Jahren für ein Kilo Haushaltszucker noch 85 Cent ausgeben, sind es heute manchmal nicht einmal mehr 60 Cent. In der EU liegt der Zuckerpreis mit 314 Euro pro Tonne auf einem Allzeittief, Mitte 2017 kratzte er noch an der 500-Euro-Marke.

Nun aber tritt zu alledem auch noch ein neuer Konkurrent auf: der südamerikanische Staatenbund Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay). Die EU und Mercosur wollen gemeinsam die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Gerade haben sie die Verhandlungen abgeschlossen. Wegen des großen Produktionsvolumens in der Freihandelszone könnten Verbraucher von Kostenvorteile etwa bei Rindfleisch, Geflügel und Zucker profitieren.

Auch die deutsche Wirtschaft verspricht sich davon eine Menge. Südzucker aber - als weltweit größter Zuckerproduzent - befürchtet Nachteile: "Wir gehen davon aus, dass größere Mengen aus dieser Region - im Volumen einer deutschen Zuckerfabrik - auf den Markt kommen und die heimische Produktion verdrängen", sagt ein Unternehmenssprecher.

Dabei ist es ohnehin schon ungemütlich für die Mannheimer: Allein im Kerngeschäft, dem Segment Zucker, erwartet Südzucker für das laufende Geschäftsjahr einen Verlust in Höhe von 200 bis 300 Millionen Euro. Dem Unternehmen und den Beschäftigten stehen harte Zeiten bevor: Fünf seiner 29 Werke - in Polen, Frankreich sowie in Brottewitz und Warburg in Deutschland - will der Konzern schließen, um 700.000 Tonnen Produktionskapazitäten Zucker aus dem europäischen Markt zu nehmen. 700 Stellen sollen in den kommenden Jahren abgebaut werden, 300 davon in der Verwaltung. Rund 20.150 Menschen beschäftigt Südzucker derzeit weltweit.

Dass das Ergebnis nicht noch weiter zurückgegangen ist, hat Südzucker vor allem der Strategie zu verdanken, nicht nur aufs Kerngeschäft Zucker zu setzen. So legte das Segment "Spezialitäten" (hierzu gehört der Tiefkühlpizza-Produzent "Freiberger") erneut zu und übertraf mit einem Umsatz von 602 Millionen Euro erstmals das Segment Zucker. Auch die Konzerntochter CropEnergies startete gut ins Jahr und steigerte Umsatz und Gewinn im ersten Quartal, wie der Ethanol-Hersteller am Mittwoch bekannt gegeben hatte.

Die Prognose für das laufende Geschäftsjahr bestätigte Südzucker. So erwartet der Konzern weiter einen Umsatz von 6,7 bis 7 Milliarden Euro (Vorjahr: 6,8 Milliarden Euro). Das operative Ergebnis soll sich nach wie vor in einer Bandbreite von 0 bis 100 Millionen Euro (Vorjahr: 27 Millionen Euro) bewegen.


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