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Heidelberger Druckmaschinen: "Wir hätten gerne einen strategischen Partner"

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Von Barbara Klauß und Thomas Veigel

Wiesloch. Die Druckmaschinen-Weltmarktführer Heidelberg ist nicht in akuter Not, bekräftigt Vorstandsvorsitzender Rainer Hundsdörfer im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung. Aber das Unternehmen steht wie auch der Chef mächtig unter Druck. Zwei Umsatz- und Gewinnwarnungen in Folge und der Absturz der Aktie in den Cent-Bereich beunruhigen die Mitarbeiter und den Kapitalmarkt. Die Entwicklung der großen Digitaldruckmaschinen kostet immer noch sehr viel Geld, von dem das Unternehmen nicht viel hat. Deshalb wird nach einem strategischen Partner für dieses Geschäft gesucht, der Know-how und Geld mitbringt.

Herr Hundsdörfer, der Kapitalmarkt verliert das Vertrauen mit Heidelberger Druckmaschinen - gerade nach der jüngsten Gewinnwarnung. Wie wollen Sie ihn wieder auf Ihre Seite bringen?

Die Einschätzung des Kapitalmarkts ist deutlich zu pessimistisch. Heidelberg steht nicht mit dem Rücken zur Wand. Natürlich müssen wir im Moment wie eigentlich alle produzierenden Unternehmen mit Gegenwind rechnen. Beim Auftragseingang hatten wir einen schwächeren Mai und Juni. Aber der Juli ist schon wieder sehr positiv gelaufen. Wäre die Konjunktur stabil geblieben, hätten wir einen stabileren Geschäftsverlauf gehabt und unsere Ziele nicht abmelden müssen. Jetzt brauchen wir zusätzliche Maßnahmen, um unsere Profitabilität abzusichern. Diese Maßnahmen sind bereits eingeleitet. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen werden. Dafür müssen wir auch unsere digitale Strategie nicht opfern. Wir werden sie nur vielleicht an der einen oder anderen Stelle ein bisschen langsamer umsetzen können.

Ein Teil Ihrer Strategie sind die Digitaldruckmaschinen. Nun hören wir seit 20 Jahren, dass der Markt dafür kurz vor dem Durchbruch steht. Wann ist denn nun damit zu rechnen?

Den Digitaldruckmaschinenmarkt gibt es ja bereits. Er ist mit rund 2,5 Milliarden Euro sogar größer als der Bogenoffsetdruckmarkt. Das sind aber eher große Kopierer, die wir nur am Rande über eine Kooperation vertreiben. Der Markt, den wir mit unserer Primefire bedienen, ist der industrielle Digitaldruck für Verpackungen. Da läuft unser Geschäft zwar bislang nur langsam - aber sichtbar hoch.

Wir leisten uns hier neben unserem Kerngeschäft, dem Bogenoffsetdruck, die Entwicklung einer neuen Technologie, die viele Ressourcen und ungefähr die Hälfte unseres Entwicklungsbudgets bindet. Aber: Wenn wir es nicht machen, machen es andere. Dann riskieren wir eine große Wachstumschance für Heidelberger Druckmaschinen. Denn diese Technologie wird sich durchsetzen, da bin ich mir absolut sicher..

Wie viele Maschinen sind denn schon installiert?

Acht. Wir hatten in den letzten Wochen einen guten Lauf und sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten Tagen weitere Verträge abschließen können. Das Geschäft kommt langsam aber sicher in die Gänge. Bis wir damit Geld verdienen, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Bis dahin muss unser profitables Bogendruckgeschäft dies mitfinanzieren.

Wollen Sie den Markt allein erobern oder sind Sie auf der Suche nach einem Partner?

Wir hätten gerne einen weiteren strategischen Partner neben Masterwork. Jemanden mit ähnlichen Interessen und ergänzenden Kompetenzen, zum Beispiel im Bereich des Digitaldrucks. Da führen wir gerade Gespräche, sind aber noch in einem frühen Stadium.

Wer könnte ein solcher Partner sein?

Idealerweise wäre das einer der heutigen Digitaldruckmaschinenhersteller, die auch alle in Richtung Tintenstrahldruck schielen. Jemand, der etwas hat, was Heidelberg noch nicht hat: nämlich Druckköpfe und vielleicht auch Tinte.

Ein weiterer Teil ihrer Strategie ist das Subskriptionsmodell, bei dem der Kunde die Maschine nicht kauft, sondern pro bedrucktem Bogen bezahlt. Wie sieht es da derzeit aus?

Im Vertragsgeschäft sind wir im Plan. Vergangenes Geschäftsjahr lagen wir bei gut 30 Verträgen. Das sind rund 30 Millionen Euro Umsatz auf 2,5 Milliarden Euro im ganzen Unternehmen - also knapp eineinhalb Prozent. Natürlich ist das noch wenig. Aber die rund 70 Verträge, die wir in diesem Jahr anstreben, die bauen ja aufeinander auf. Das ist kein linearer Zuwachs, das ist ein exponentieller. Leider geht das auch nicht über Nacht.

Die digitale Strategie stellt kaum jemand in Frage. Doch blicken, neben dem Kapitalmarkt, auch Mitarbeiter pessimistisch auf das Unternehmen.

Es wird vieles geschrieben, das bei den Mitarbeitern ein negatives Bild erzeugt. Und es gibt es auch Probleme. Hier in Wiesloch haben wir wegen einer Marktschwäche in Deutschland und Zentraleuropa Unterauslastungen. Dass wir gleichzeitig am anderen Ende der Welt, in Nordamerika, ein stabiles und in China ein wachsendes Geschäft und dadurch eine hohe Auslastung unserer Fabrik in Shanghai haben, das sehen die Mitarbeiter hier nicht. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass wir seit mehr als zehn Jahren versuchen, in den Vorwärtsgang zu kommen, haben aber noch nicht viel bewegen können. Was wir in den vergangenen zwei Jahren angeschoben haben, ist zukunftsweisend, benötigt aber Zeit.

Dennoch: Es scheint eine große Verunsicherung zu geben.

Wir verändern Heidelberg ja grundsätzlich: von einem klassischen Maschinenbauer zu einem digitalen Unternehmen. Und Veränderungen werden häufig kritisch gesehen. Die Mitarbeiter fragen sich: Was heißt das für mich? Bin ich dann noch dabei? Wir haben Struktur- und Kostenprogramme gestartet. Natürlich bereitet das den Mitarbeitern Sorgen. Unsicherheit lässt sich bei einem solchen Prozess nicht ganz vermeiden - zumal, wenn sich die Geschäftszahlen konjunkturbedingt nicht so entwickeln, wie wir das gerne hätten. Aber: Heidelberg ist in keiner akuten Gefahr. Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen, wir müssen den Free Cashflow deutlich verbessern. Unsere Maßnahmen laufen und ich bin zuversichtlich, dass wir das in den nächsten Monaten schaffen werden.

Was für Maßnahmen sind das?

Wir werden alle verfügbaren Instrumente zur Arbeitszeitflexibilisierung nutzen. Dann tätigen wir zurzeit nur noch die Ausgaben, die absolut notwendig sind und uns zeitnah Wachstum und Profitabilität bringen. Außerdem investieren wir langsamer in Zukunftsthemen und verschieben das eine oder andere etwas. In Summe haben wir ein Liquiditätspotenzial von gut und gerne 100 Millionen Euro. Die Veräußerung von Bereichen, die nicht zu unserer künftigen Strategie passen, könnte dazu in diesem Geschäftsjahr 30 Millionen Euro beitragen.

Welche Bereiche könnten das sein?

Randbereiche, die nichts mit dem Kerngeschäft zu tun haben.

Was bedeutet das Stammwerk in Wiesloch für Heidelberger Druck?

Das ist das Herz und der Kopf des Unternehmens und wird es auch bleiben. Allerdings können wir es uns nicht mehr erlauben, hier einfache Tätigkeiten zu teuren Löhnen zu machen. Das heißt, wir werden die Altersfluktuation nutzen, um unsere Strukturen zu verbessern. In Wiesloch passiert künftig nur noch das, was hier profitabel gemacht werden kann: Der wesentliche Teil der Forschung und Entwicklung, die Hauptverwaltung; die Steuerung und die strategische Ausrichtung werden hier angesiedelt bleiben, ebenso die neuen Themen wie Digitaldruck. Aber es ist durchaus möglich, einfachere Maschinen und Produkte woanders fertigen zu lassen und einfache Komponenten zuzukaufen - wenn wir dadurch keine Mitarbeiter abbauen müssen. Für das Thema Maschinenbau brauchen wir also die riesigen Flächen, die wir hier heute haben, in den nächsten Jahrzehnten sicher nicht mehr in dem heutigen Umfang. Deshalb haben wir uns entschlossen, hier einen Campus zu bauen, den wir teilweise selbst nutzen, teilweise für andere Unternehmen öffnen. Doch auch das muss wachsen und wird nicht von heute auf morgen geschehen.

Für die nahe Zukunft müssen sich die Mitarbeiter hier also keine Sorgen machen, dass es massive Schrumpfungsprozesse geben wird?

Nein. Es geht darum, den Gürtel etwas enger zu schnallen, zu optimieren, Dinge, die gar nicht hier stattfinden müssen, abzutrennen und zu veräußern. Es gibt die eine oder andere Strukturmaßnahme - die zum Teil aber schon lange läuft. Hier am Standort haben wir beispielsweise fast 700 Altersteilzeitverträge, um den altersbedingten Personalabbau nach vorne zu ziehen und die Leute vernünftig in den Ruhestand gehen zu lassen.

Heidelberger Druckmaschinen ist ein Unternehmen, das von vielen Leuten völlig falsch wahrgenommen wird. Heidelberg gehört zur Weltspitze und ist technologisch führend. Unsere außerordentlichen Fähigkeiten führen zu einem Weltmarktanteil von rund 45 Prozent und einem Marktanteil von 30 Prozent in Japan, obwohl dort einer unserer Hauptwettbewerber sitzt. Dies ist einzigartig im deutschen Maschinenbau. Unser stabiles und hochprofitables Kerngeschäft finanziert das Wachstum der Zukunft. Die heutige Börsenkapitalisierung spiegelt mehr die Risiken als die Chancen wider. In bin zuversichtlich, dass sich das wieder ändern wird, denn Heidelberg hat alle Mittel und Wege in der Hand, sich eine profitable Zukunft aufzubauen.


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