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Walldorf: SAP-Betriebsrat wehrt sich gegen Kündigung

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Von Barbara Klauß

Walldorf. Der Softwarekonzern SAP hat Anfang August einem Betriebsratsmitglied außerordentlich fristlos gekündigt, wie ein Unternehmenssprecher am Donnerstag bestätigte. Der Betroffene wehrt sich allerdings gegen diese Kündigung und hat beim Arbeitsgericht Mannheim eine Klage auf Wiedereinstellung eingereicht. Mitte Oktober ist ein Gütetermin vor Gericht angesetzt.

Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist ungewöhnlich. Auch bei SAP war es dazu bislang nicht gekommen. Für Betriebsratsmitglieder gilt in Deutschland ein Sonderkündigungsschutz. Eine außerordentliche Kündigung ist nur dann möglich, wenn der Betroffene seine Arbeitnehmerpflichten schwerwiegend verletzt - wenn also dem Arbeitgeber jede weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar ist. Das kann beispielsweise bei Diebstahl am Arbeitsplatz der Fall sein, bei Beleidigung des Chefs, bei sexuellen Übergriffen oder bei politischer Agitation. Darüber hinaus muss der Betriebsrat der Kündigung mehrheitlich zustimmen.

Die Zustimmung erteilte in diesem Fall ein siebenköpfiger "Ausschuss für personelle Einzelmaßnahmen" (PEM), an den der Betriebsrat die Entscheidung delegiert hatte. Kurz darauf stimmte jedoch noch einmal der gesamte Betriebsrat ab - und lehnte die Kündigung ab. Fraglich ist nun unter anderem, ob die Entscheidung überhaupt an den Ausschuss delegiert werden durfte. Und ob die zweite Abstimmung irgendeinen Wert hat.

Zu den Gründen für die Kündigung äußerte sich der SAP-Sprecher lediglich vage. Auf Anfrage erklärte er: "Es handelt sich um eine Individualentscheidung, die nicht in Zusammenhang mit dem Amt des Betriebsrates steht." Der Betriebsratsvorsitzende war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. So gibt es zunächst auch keine Antwort auf die Frage, weshalb der Ausschuss der Kündigung mit knapper Mehrheit zustimmte.

Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass der gekündigte Kollege keinen großen Rückhalt genossen habe. Er habe Stimmung gegen bestimmte Gruppen gemacht und zum Teil populistische und fragwürdige Thesen vertreten. Dennoch, heißt es, werde die außerordentliche Kündigung als harter Tobak empfunden. Ob sie gerechtfertigt ist, muss nun das Mannheimer Arbeitsgericht entscheiden.

Große Einigkeit herrscht im SAP-Betriebsrat offenbar ohnehin nicht. Das 43-köpfige Gremium ist stark zersplittert, derzeit gibt es zehn verschiedene Gruppierungen - die zum Teil sehr verschiedene Interessen vertreten. Es gibt Berichte über Schmutzkampagnen und gegenseitige öffentliche Diffamierungen.

Unter anderem war die Rede von systematischen Diskreditierungskampagnen. Bei der zurückliegenden Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sah sich die Personalabteilung veranlasst, um die Wahrung des Betriebsfriedens zu bitten.

Betriebliche Mitbestimmung war beim Softwarekonzern von Anfang an stark umstritten. So machte etwa SAP-Mitgründer Dietmar Hopp nie einen Hehl aus seiner Ablehnung gegenüber Betriebsräten. "Unsere Hauptmitbewerber haben keine fremdbestimmten Betriebsräte", schrieb er an die Mitarbeiter, als die Gewerkschaft IG Metall 2006 erstmals Wahlen für eine Arbeitnehmervertretung durchsetzte. Auch viele der Mitarbeiter waren skeptisch. Doch scheint das Gremium inzwischen akzeptierter zu sein. Bei der Betriebsratswahl im Frühjahr 2018 gaben 46 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

SAP mit Sitz in Walldorf ist Europas größter Softwarekonzern und das wertvollste deutsche Unternehmen im Dax. Insgesamt beschäftigt SAP rund 98.700 Mitarbeiter, 23.000 davon in Deutschland und 15.000 davon in der Region Rhein-Neckar.


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