Von Barbara Klauß
Eberbach. Die Eigentümerfamilien von Gelita sind heillos zerstritten, Gerichtsverfahren kosten den Mittelständler Millionen, ein Aktionär sorgt selbst für Konkurrenz. Und dennoch spricht der Vorstandsvorsitzende Franz Josef Konert bei der Präsentation der Zahlen von einem guten Jahr, das hinter dem Familienunternehmen liege, von Innovationen und lukrativen Geschäftsfeldern.
Die Anspannung aber ist deutlich zu spüren. "Die Situation ist nicht einfach", erklärt Konert, 62 Jahre alt, der seit 2010 Vorstandschef ist, mit Blick auf den Zwist und die Gerichtsverfahren. Gelita, gegründet 1875, ist bis heute im Besitz der Gründer-Nachfahren. Doch schwelt seit Jahrzehnten ein Streit zwischen den Familienzweigen um Hauptaktionär Philipp Koepff, der rund 65 Prozent der Anteile hält, und seinen Onkel Peter Koepff (zusammen mit seinen Kindern etwa ein Drittel der Anteile). Der Konflikt spitzte sich zu, als Gelita 2012 eine Beteiligung am Medikamentenkapsel-Hersteller R. P. Scherer für 43 Millionen Euro verkaufte - aus Sicht von Peter Koepff zu billig und ohne strategischen Grund.
"Ich habe nichts falsch gemacht", erklärt jedoch Vorstandschef Konert nun beim Pressegespräch. "Der Verkauf von Scherer war ein Segen. Beide Unternehmen sind noch erfolgreicher geworden, die Standorte sind gesichert."
Rund um den Verkauf gab es mehrere Gerichtsverfahren, darunter eine Klage auf Schadenersatz gegen Konert sowie Ex-Vorstände und Aufsichtsräte. "Wenn ich zehn Jahre jünger wäre, wäre das echte Rufschädigung", sagt er. Im schlimmsten Fall würde er auch mit seinem privaten Vermögen haften. Noch ist jedoch nichts entschieden.
In einem weiteren Verfahren hat das Oberlandesgericht Karlsruhe am Dienstag ein Urteil gefällt: Peter Koepff hatte unter anderem gefordert, dass sein Vorschlag zur Besetzung des Aufsichtsrats hätte berücksichtigt werden müssen. Vor Gericht konnte er sich damit allerdings nicht durchsetzen.
"Wir beschäftigen die Gerichte schon sehr gut", erklärt Konert. Rund 10 Millionen Euro habe die Gesellschaft so seit 2014 verloren. "Wenn dieser Streit nicht wäre, hätten wir ein noch besseres Ergebnis." Konert, dessen Vertrag 2020 endet, ist unsicher, ob er sich noch einmal dafür entscheiden würde, die Leitung dieses Unternehmens zu übernehmen. Und das, obwohl Gelita "eigentlich ein super Unternehmen" sei, wie er sagt. "Ich hoffe, die Prozesse finden ein Ende."
Doch Konflikte gibt es auch außerhalb der Gerichtssäle: Im vergangenen März legte Peter Koepff den Grundstein für eine Gelatine-Fabrik im rund 25 Kilometer entfernten Neidenstein. Dort will er unter den Namen Gelinova neben Biofolie auch Blattgelatine herstellen. Beschäftigte und der Gelita-Betriebsrat reagierten empört. Sie sorgen sich um ihre Jobs in Eberbach. Mehrheitsaktionär Philipp Koepff nannte das Verhalten seines Onkels "grob geschäftsschädigend". Der entgegnete, eine Bedrohung für den Weltmarktführer in Eberbach lasse sich nicht konstruieren.
Gelita-Chef Konert, der von einem bizarren Vorgang spricht, kann den Unmut des Betriebsrats verstehen: "Schließlich wird die Dividende, die bei Gelita verdient wird, verwendet, um Konkurrenz aufzubauen." Dennoch sei ihm nicht bange. Man müsse sich jedem Wettbewerber stellen. "Ich sehe das sportlich gelassen."
Um das eigene Geschäft voranzutreiben, setzt Konert voll auf Innovationen. Knapp zehn Prozent des Umsatzes macht das Unternehmen Marketingleiter Michael Teppner zufolge mit Produkten, die nicht älter sind als vier Jahre. Im vergangenen Jahr habe Gelita mehr als 34 Millionen Euro in neue Anlagen und Modernisierung gesteckt.
So setzt Gelita neben Gelatine, die aus dem Bindegewebe von Schweinen und Rindern gewonnen wird und sowohl in Tortengüssen und Gummibärchen als auch in Medikamentenkapseln und technischen Schmierölen zu finden ist, zunehmend auf Kollagen Peptide. Das Zwischenprodukt aus der Gelatineherstellung dient als Basis für Nahrungsergänzungsmittel und Anti-Falten-Cremes. Ein Bereich, der sich Teppners Worten zufolge "sehr schön entwickelt". Der Markt habe um mehr als 30 Prozent zugelegt.
Ein lohnendes Geschäft - zumal die Marge, also die Gewinnspanne, bei Kollagen Peptiden höher ist als bei Gelatine. So konnte Konert zufolge das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) steigen, obwohl der Umsatz aufgrund sinkender Verkaufspreise für Gelatine und durch Währungseffekte zurückging.
Mit großer Sorge aber beobachtet man in Eberbach die Afrikanische Schweinepest, die in China, dem weltweit größten Fleischproduzenten, ausgebrochen ist. "Das wird die Welt verändern", sagt Konert. Schätzungen zufolge seien dort wegen der Krankheit bis 80 Millionen Tiere vorsorglich getötet worden. "Das wären doppelt so viele, wie in Deutschland produziert werden", erklärt der Vorstandschef. Er rechnet mit steigenden Preisen für Schweine und damit, dass der Rohstoff Schwarte in den nächsten Monaten nicht mehr verfügbar sein wird. "Wir spüren die Auswirkungen schon, aber noch ist es händelbar." Doch gingen Fachleute davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Schweinepest auch nach Deutschland komme. "Wenn jetzt auch noch Europa betroffen wäre, das wäre der Supergau", erklärt Konert. "Das möchte ich mir nicht einmal ausmalen."