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Bad Rappenauer Unternehmen: "Für kleinere Dinge ist Losberger zu groß"

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Von Friedemann Orths

Bad Rappenau. "Wir tun uns schwer mit dem Wort ,Zelt‘", sagt Matthias Raff. Eine merkwürdige Aussage des Geschäftsführers eines Unternehmens, das sich auf die Herstellung und den Verleih von Zeltsystemen spezialisiert hat - und damit 260 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Doch Raff, der seit 2008 einer der vier Geschäftsführer ist, kennt sich aus: Seit 1992 arbeitet er in dem im Bad Rappenauer Ortsteil Fürfeld ansässigen Unternehmen Losberger De Boer. Zwar fing alles 1919 in der Heilbronner Kalistraße mit der Herstellung von Pferdedecken und Zelten an. In 100 Jahren hat sich das Unternehmen jedoch entwickelt, und Raff kann jetzt von "temporären Gebäuden" sprechen, die von den 20 Tochtergesellschaften weltweit produziert werden.

Und das Wort ,Zelt‘ kann den Aluminium-Palästen, die Losberger De Boer in die Wüsten Dubais und Katars für die dortige Kundschaft baut, gar nicht gerecht werden: Im Januar erst hat das Unternehmen ein 335 Meter langes "Gebäude" für eine Messe in Las Vegas aufgebaut. "Der Größe sind keine Grenzen gesetzt", merkt Raff an. Man habe auch schon Aufzüge in die mehrstöckigen Bauten integriert. Stolz zeigt der Geschäftsführer ein gerahmtes Bild im Flur, das eine Konstruktion im Gottlieb-Daimler-Stadion in Stuttgart zeigt: Da wird dann mal eben ein temporäres Gebäude in ein Fußballstadion gebaut.

Selbstverständlich produziert Losberger De Boer auch "normale" Gartenzelte für die Grillparty daheim oder Festzelte für Vereinsjubiläen. Hier kommt das zweite Standbein des Unternehmens ins Spiel: die Vermietung großer Zeltanlagen. "Für kleinere Dinge ist Losberger zu groß", sagt Raff. So verkauft die Firma beispielsweise Festzelte an andere Firmen, die diese dann verleihen. Hier wären die Verwaltung und der Logistikaufwand für das Unternehmen zu hoch, weshalb man sich den Verleih-Markt mit Mitbewerbern teilt. "Die Mitbewerber sind mitgewachsen und wir haben uns arrangiert." Man nutze eine Symbiose, wenn ein kleineres Unternehmen dann ein großes Zelt direkt von Losberger De Boer anmiete, um es ihrem Kunden zur Verfügung zu stellen.

Im Lager stehen rund 780 Tonnen Aluminiumprofile im Wert von etwa drei Millionen Euro zur Verfügung, erklärt Produktionsleiter Dustin Kadlubsky. Die Profile, im Grunde Stangen für die Gerüste der Bauten, werden unter anderem aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland von "sechs bis sieben großen ,Playern‘" geliefert. In Fürfeld angekommen, werden sie mit den vier hauseigenen CNC-Fräsen bearbeitet. Dabei ist in der Werkstatt vom Fenster bis zum Boden fast alles möglich.

Insgesamt kann Losberger De Boer über 700.000 Quadratmeter Fläche "in fast allen Ländern der Welt" vermieten. Darunter mobile Studios für das ZDF, Räumlichkeiten für die Weltklimakonferenz 2017 in Bonn, oder der eben schon erwähnte Palast im Mittleren Osten, komplett mit Aufzug, Teppichen und Marmor. "Da kann es schon mal passieren, dass man drei Jahre an einem Projekt baut, und der Landesfürst dann gar nicht kommt", erzählt Raff. Der kurioseste Auftrag, an den er sich erinnert: "Das war während des zweiten Golfkriegs in der Weihnachtszeit." Damals habe das Unternehmen über eine dreiwöchige Luftbrücke nach Kuwait die Räumlichkeiten für die Weihnachtsfeiern der US-Armee gestellt. Der Auftrag kam am Montag, am Donnerstag wurden vier Sattelauflieger in eine Antonow am Flughafen Frankfurt-Hahn verladen.

Einen Vorteil bei solchen Nacht- und Nebelaktionen bietet da der Standort des Unternehmens. Raff zählt auf: "Mitte Europas, Autobahn, die Nähe zu großer Industrie." Größter Nachteil am Standort Bad Rappenau sei, dass hier die Konkurrenz um Fachkräfte viel größer sei. "Wir tun uns schwer, Bauingenieure zu bekommen", sagt er. Derzeit werden zwischen 15 bis 20 Auszubildende, unter anderem in den dualen Studiengängen Logistik oder BWL, beschäftigt.

Losberger De Boer hat unter anderem Standorte in Straßburg und den Niederlanden. Ein Mitbewerber, De Boer, wurde 2017 erworben, weshalb man munter dabei sei, Synergien zu schaffen.

Geschäft hat die Firma auch während der Flüchtlingskrise 2015 gemacht, als ihre temporären Raumlösungen sehr gefragt waren. "Die Zeltbranche konnte damals am schnellsten reagieren." Als Gewinner will sich Raff jedoch nicht bezeichnen: "Ich glaube eher, dass die Flüchtlinge, die darin unterkommen konnten, die Gewinner waren", sagt er, und fügt hinzu: "Hilfe für Menschen ist eben auch ein Teil unseres Geschäfts - kostenlos liefern können wir nicht."

Im Jubiläumsjahr kann die Firma auf eine lange Geschichte zurückblicken. Als Friedrich Losberger senior 1919 sein erstes Zelt für einen Wanderzirkus baute, hätte er sich wohl nicht ausmalen können, dass seine Nachfolger sich einmal mit dem Wort ,Zelt‘ schwer tun würden.


Elektroauto-Boom: Hält das Stromnetz?

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Von Andreas Hoenig und Johanna Uchtmann

Berlin. Noch lässt der Durchbruch der Elektromobilität auf sich warten. Aber was aber passiert, wenn in ein paar Jahren Millionen von E-Autos gleichzeitig geladen werden - halten das die bestehenden Stromnetze aus? Die Energiewirtschaft bereitet sich auf ein solches Szenario vor und sieht noch große Herausforderungen. Die größten: eine bessere Steuerung der Netze sowie ein wirksames Last- und Lademanagement.

Die Auswirkungen auf die Strommenge seien nicht das Hauptproblem, sagte Stefan Kapferer, Chef des Branchenverbandes BDEW, am Dienstag in Berlin. Bei zehn Millionen E-Autos im Jahr 2030 werde der Bruttostromverbrauch um vier bis fünf Prozent zulegen. Dies sei machbar, weil das Stromsystem immer effizienter werde.

Derzeit ist die Zahl der E-Autos in Deutschland noch überschaubar. In den kommenden Jahren aber kommen immer mehr Modelle auf den Markt. Bis zum Jahr 2030 sind Prognosen zufolge sieben bis zehn Millionen E-Autos nötig, um Klimaziele im Verkehr erreichen zu können.

Auch ein Innogy-Sprecher sagte, die vorhandenen Netze könnten die zusätzliche Strommenge technisch verkraften. Problematischer sei, dass die Menschen ihre E-Autos vermutlich etwa zur gleichen Zeit laden wollen - zur klassischen Feierabendzeit. Viele Autobesitzer dürften nach der Arbeit, gegen 16.00 bis 18.00 Uhr, ihr Auto an die Steckdose schließen und die Nacht über voll aufladen wollen.

"Das wird zu einer erheblichen Lastspitze in den Abendstunden führen", sagte Eon-Vorstand Thomas König Anfang vergangener Woche bei der Vorstellung der Ergebnisse eines Stresstests. Abhilfe schaffen könne sogenanntes netzdienliches Laden: Eon versteht darunter zum Beispiel eine automatische Verschiebung der Nachfrage von Privatkunden in den Abend und die Nacht, ohne dass der Kunde es merke. Davon könnten sich Nutzer gegen Zusatzgebühr ausschließen lassen.

Dieses "intelligente Lademanagement" könnte bei Eon den Ausgabebedarf laut König um die Hälfte reduzieren. Dieser liegt bis 2045 bei 2,5 Milliarden Euro. Mit dem Energieberater Consentec hatte der Energieversorger berechnet, wie das eigene Netz ausgebaut werden müsste, wenn in den kommenden 25 Jahren sämtliche Pkw im Eon-Netzgebiet - rund 6,5 Millionen Wagen - einen Elektroantrieb hätten und entsprechend Strom bräuchten.

Für die Netzbetreiber sei vor allem das private Laden eine Herausforderung, sagte auch Martin Konermann, technischer Geschäftsführer der EnBW-Tochter BW, am Dienstag. Es gehe darum, die Netze bedarfsgerecht zu verstärken und mögliche Engpässe zu verhindern - wenn zum Beispiel in einer Straße viele Autobesitzer gleichzeitig ihre E-Autos laden wollen.

Ein Innogy-Sprecher nannte als Beispiel für eine intelligente Steuerung der Verteilnetze eine Ampelschaltung für öffentliche Ladepunkte: Dabei würden etwa Ladesäulen an einer Straße nacheinander freigeschaltet, statt gleichzeitig. Denn in der Regel stünden Autos länger an solchen Säulen, als der Ladevorgang dauere. Eine andere Möglichkeit könnte das "Smart Charging" sein. Dabei bekämen alle Nutzer bei einem Engpass etwas weniger Strom. Bei einem Überfluss bekämen alle so viel wie möglich.

Der Innogy-Sprecher bezeichnete den Ausbau der Netze für Elektromobilität als "Mammutaufgabe". Er sei aber beherrschbar, wenn er richtig gemacht werde. Das bedeute: klassischer Netzausbau im Kombination mit intelligenter Steuerung des Stromverbrauchs. Eon sieht kein Risiko eines Blackouts des Stromnetzes, wie ihn Kritiker für Deutschland teilweise prognostizierten. Im Gegenteil: Ausgaben von 2,5 Milliarden Euro zusätzlich nennt König "überraschend niedrig". Jedes Jahr investiere Eon ohnehin rund eine Milliarde Euro in das Netz. Innerhalb der nächsten rund zehn Jahre decke das Bestandsnetz noch den Strombedarf von E-Autos.

Kapferer sagte, der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse beschleunigt werden, damit der Strom für E-Autos möglichst grün sei. Derzeit liegt der Anteil bei gut 40 Prozent, Ziel sind 65 Prozent bis 2030. Vor allem aber beim Bau von Windkraftanlagen an Land gibt es zunehmende Proteste von Bürgerinitiativen.

Rhein-Neckar: Pessimismus in der Wirtschaft wächst

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Mannheim/Berlin. (hab/dpa) Von den Rekordzahlen der IHK-Konjunkturumfragen der letzten zwei Jahre muss man erst einmal Abschied nehmen. Denn die regionale Wirtschaft blickt mit deutlich weniger Optimismus in die nahe Zukunft, als in früheren Befragungen. Der stärkere konjunkturelle Gegenwind - ausgelöst durch Brexit-Spekulationen und den Handelsstreit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, den USA und China - sorgt für ein eher gedämpftes Stimmungsbild, insbesondere was die Exporterwartungen der Industrie betrifft. "Die gegenwärtige Lage wird dort weiterhin als gut bezeichnet, doch die Exporte verlieren an Dynamik", betont IHK-Hauptgeschäftsführer Axel Nitschke.

Der Konjunkturklima-Index, der die Wirtschaftsstimmung in der Region abbildet, zeigt einen deutlichen Knick nach unten und erreicht den niedrigsten Wert seit 2014. Am stärksten ist der Rückgang in der Industrie, allerdings kommt man von einem sehr hohen Niveau. Bei den Erwartungen für die nächsten zwölf Monate sind die Dienstleister im Branchenvergleich am zuversichtlichsten.

Bei den Industrieunternehmen bezeichnen 50 Prozent ihre Lage noch als gut, ihre Erwartungen schrauben sie allerdings zurück. Im Geschäft mit der Eurozone und Nordamerika gehen die Firmen von stagnierenden bis leicht rückläufigen Ausfuhren aus. Die Zolldiskussion mit den USA hat schließlich dazu geführt, dass die Erwartungen für die Exporte nach Nordamerika auf den niedrigsten Wert seit zehn Jahren gesunken sind.

Die IHK-Befragung erfolgte bereits im April, sodass weder der Rücktritt von Theresa May noch die Ergebnisse der Europawahl in die Antworten eingeflossen sind. Die Prognosequalität der IHK-Umfragen soll besser sein, als die der meisten anderen Konjunkturumfragen. Man verwende dieselbe Methode wie das Ifo-Institut und befrage die Unternehmenslenker nach einer konjunkturellen Entwicklungsrichtung - geht es aufwärts, bleibt es gleich, geht es abwärts.

Bezüglich der größten Risiken für eine wirtschaftliche Entwicklung gibt man acht Antworten vor und lässt zusätzlich Raum für weitere Nennungen. Regelmäßig wird bei der Befragung ein spürbar wachsender Fachkräftemangel als größtes Risiko genannt. 58 Prozent der befragten Betriebe sehen darin das größte Risiko. Noch verstärkt wird dieser Mangel durch die demografische Entwicklung. Immer häufiger können ältere Beschäftigte, die in den Ruhestand gehen, nicht angemessen ersetzt werde. Das drückt sich auch in den 8330 zuletzt gemeldeten, offenen Arbeitsstellen aus. "Gewerblich-technische Arbeitskräfte und IT-Berufe werden immer häufiger gesucht", so Nitschke. Vergeblich gesucht, ließe sich hinzufügen.

Die privaten Haushalte sind mit ihrer ungebrochenen Konsumlaune die letzte verlässliche Stütze für die deutsche Konjunktur. Während der Pessimismus in den Unternehmen angesichts der globalen Großwetterlage zusehends wächst, zeigt sich die Stimmung der Konsumenten nur wenig verändert, wie die Konsumforscher der Nürnberger GfK am Dienstag berichteten. Auf Jahressicht geht die GfK weiter von einem Anstieg der privaten Konsumausgaben um etwa 1,5 Prozent aus, deutlich mehr als im vergangenen Jahr mit 1,1 Prozent.

Nach mehreren Jahren mit mehr als zwei Prozent Wirtschaftswachstum traut der Spitzenverband DIHK der weltweit viertgrößten Volkswirtschaft 2019 insgesamt jedoch nur noch ein Plus von 0,6 Prozent zu, nach einem Wachstum um 1,4 Prozent im vergangenen Jahr.

Die stabile Binnenkonjunktur stützt sich auf die anhaltend hohe Konsumnachfrage der privaten Haushalte, die für mehr als 50 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung von fast 3,4 Billionen Euro steht. Die Konsumkonjunktur wiederum wird getragen von der seit Jahren wachsenden Rekordbeschäftigung mit zuletzt 44,8 Millionen Erwerbstätigen (2018).

Der GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl erklärte, die Einkommenserwartungen der Verbraucher zeigten sich auf einem ohnehin schon sehr hohen Niveau stabil. Gründe seien die gute Lage am Arbeitsmarkt, die Rentenerhöhungen im Juli und die im Schnitt über der Inflationsrate liegenden Tarifabschlüsse.

Baden-Württemberg: Arbeitslosigkeit im Südwesten leicht gestiegen

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Stuttgart. (dpa-lsw) Die Zahl der Arbeitslosen in Baden-Württemberg ist im Mai im Vergleich zum Vormonat leicht gestiegen. Grund für den Anstieg waren unter anderem Korrekturen in der Statistik, aber auch das sich abschwächende Wirtschaftswachstum hatte einen Einfluss. «Der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg bleibt stabil», sagte der Chef der Regionaldirektion, Christian Rauch, am Mittwoch in Stuttgart. Allerdings meldeten die Arbeitgeber nicht mehr so viele offene Stellen wie im Vorjahr. Das treffe insbesondere die Zeitarbeit.

191.306 Menschen hatten demnach keinen Job, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit mitteilte. Das waren 2649 mehr als im April. Die Arbeitslosenquote lag genau wie im Monat zuvor und im Vorjahr bei 3,1 Prozent. Üblicherweise sinkt die Arbeitslosigkeit im Jahresverlauf im Mai. Gegenüber dem Vorjahresmonat waren 510 Arbeitslose weniger gemeldet.

Die Korrekturen in der Statistik waren notwendig geworden, weil der Bundesrechnungshof die Bundesagentur für Arbeit auf Erfassungsfehler aufmerksam gemacht. Arbeitslose waren in der Statistik nicht als solche erfasst worden.

Ein besonders deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr zeigte sich bei den Langzeitarbeitslosen. Im Vergleich zum Mai 2018 ging die Zahl um 10,8 Prozent auf 50.083 zurück. Die Arbeitsagentur führt das neben der guten konjunkturellen Entwicklung im vergangenen Jahr auf das Teilhabechancengesetz zurück. Die Jobcenter in Baden-Württemberg setzen den Angaben zufolge knapp 18 Prozent ihres Budgets für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser ein. Sie zahlen beispielsweise Lohnkostenzuschüsse.

Mit 111.215 offenen Stellen ging die Zahl der offenen Jobs leicht zurück. «Das zeigt in aller Klarheit: Unsere Unternehmen brauchen dringend Fachkräfte und qualifizierten Nachwuchs», sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg, Peer-Michael Dick, forderte vor dem Hintergrund ein Umsteuern in der Politik unter anderem bei den Arbeitszeiten.

Urlaubsgeld: Jeder Zweite geht leer aus

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Düsseldorf. (dpa) Nur knapp jeder zweite Beschäftigte in Deutschland erhält Urlaubsgeld. Und die Chancen darauf sind alles andere als gleich verteilt: Frauen gehen öfter leer aus als Männer. Beschäftigte im Westen haben größere Chancen darauf als Arbeitnehmer im Osten. Und auch die Größe des Betriebs und die Frage der Tarifbindung spielen eine entscheidende Rolle, wie das WSI-Tarifarchiv der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Dienstag auf Grundlage einer Online-Befragung von mehr als 123.000 Beschäftigten mitteilte.

Die größten Chancen, ein Urlaubsgeld zu erhalten, haben nach Angaben des Leiters des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten, Beschäftigte in tarifgebundenen Unternehmen. Rund 69 Prozent von ihnen erhalten der Umfrage zufolge einen Gehaltszuschuss für die schönsten Wochen des Jahres. Zum Vergleich: Bei den Beschäftigten, für die kein Tarifvertrag gilt, sind es lediglich 36 Prozent.

Durchschnittlich können 50 Prozent der Männer, aber nur 41 Prozent der Frauen mit Urlaubsgeld rechnen. Hier komme zum Tragen, dass in den Berufen mit einem hohen Männeranteil - etwa bei Ingenieurberufen und bei anderen technischen Tätigkeiten - überdurchschnittlich häufig Urlaubsgeld gezahlt werde, berichtete Schulten. In Berufen mit hohem Frauenanteil sei dies deutlich seltener der Fall.

Auch die Region, in der man arbeitet, spielt eine große Rolle. Während im Westen fast die Hälfte (49 Prozent) der Beschäftigen einen Zuschuss zur Urlaubskasse bekommt, ist das in den ostdeutschen Bundesländern nur bei gut einem Drittel der Arbeitnehmer (35 Prozent) der Fall. Hier wirke sich die geringe Tarifbindung der Unternehmen in Ostdeutschland spürbar zulasten der Beschäftigen aus, sagte Schulten.

Die Größe der Betriebe wirkt sich ebenfalls aus. Von den Arbeitnehmern in Kleinbetrieben mit weniger als 100 Beschäftigten erhalten laut WSI nur 37 Prozent Urlaubsgeld. In größeren Betrieben mit über 500 Mitarbeitern steigt der Anteil auf 61 Prozent.

Die Höhe des Urlaubsgeldes schwankt stark je nach Branche - zwischen 155 und 2450 Euro in der mittleren Vergütungsgruppe. Am wenigsten Geld für die Urlaubskasse bekommen Beschäftigte in der Landwirtschaft und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Über sehr hohe Zahlungen können sich dagegen Arbeitnehmer etwa in der Holz- und Kunststoffverarbeitung, in der Metallindustrie und im Versicherungsgewerbe freuen. Im Öffentlichen Dienst gibt es kein gesondertes Urlaubsgeld. Es wird mit dem Weihnachtsgeld zu einer einheitlichen Jahressonderzahlung zusammengefasst.

Einen gesetzlichen Anspruch auf den Zuschuss für die Urlaubskasse gibt es nicht. Die Sonderzahlungen können vom Arbeitgeber freiwillig geleistet werden oder tariflich vereinbart sein.

In 11 von 22 untersuchten Branchen konnten sich die Beschäftigen zuletzt über eine Erhöhung des Urlaubsgeldes gegenüber dem Vorjahr freuen. Die Anhebungen schwankten laut WSI in den meisten Branchen zwischen 1,0 und 8,7 Prozent. Besonders kräftig fiel die Erhöhung in der chemischen Industrie aus, wo das Urlaubsgeld nahezu verdoppelt wurde.

MLP-Hauptversammlung: Aktionäre kritisieren Aufsichtsrätin

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Von Harald Berlinghof

Wiesloch. Ausgerechnet die einzige Frau auf dem Podium wurde bei der MLP-Hauptversammlung im Wieslocher Palatin zum Angriffsziel der Aktionärsvertreter: Tina Müller, die Douglas-Geschäftsführerin. Gerade hat das Manager-Magazin ihr den Titel der "härtesten Managerin Deutschlands" verliehen. Von "zackigen Anweisungen" und "rüden Methoden" ist dort die Rede. "Wer nicht performt, wird weggeräumt", zitiert Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger das Magazin - kann aber bei der Aufsichtsratsvertreterin Müller selbst nur eine unterdurchschnittliche Performance erkennen.

"Ihre Anwesenheitsquote bei Aufsichtsratssitzungen im vergangenen Jahr lag bei weniger als 50 Prozent. Sie haben da keine Kontrolle ausgeübt. Das war ein Totalausfall", so seine Vorwürfe, denen sich sein Kollege Harald Klein von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) anschloss. "Wir werden sie dieses Jahr noch einmal entlasten. Aber nehmen Sie dies als ausdrücklich letzte Warnung. Sollte ihre Teilnahmequote in 2019 unter 100 Prozent liegen, gibt es nächstes Jahr keine Entlastung mehr", wetterte er weiter.

Tina Müller verteidigte ihr Fehlen krankheitsbedingt und mit Terminüberschneidungen aufgrund ihrer Arbeit als Douglas-Chefin, versprach jedoch Besserung. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Peter Lütke-Bornefeld, begründete die Berufung Müllers in den Aufsichtsrat mit ihrem Wissen im Bereich Marketing und vor allem Online-Marketing. "Das hatte uns im Gremium gefehlt."

Zuvor hatte der MLP-Vorstandschef Uwe Schroeder-Wildberg den Aktionären noch einmal das abgelaufene Geschäftsjahr erläutert. Die Gesamterlöse waren um sechs Prozent gestiegen, der Gewinn (EBIT) stieg auf 46,4 Millionen Euro, als Dividende werden 20 Cent je Aktie ausgeschüttet. Das entspricht einer Ausschüttungsquote von 63 Prozent. Die Zahl der Berater habe man entgegen dem Markttrend gesteigert.

Als "sehr zufriedenstellend" - trotz einer anhaltenden Zurückhaltung der Deutschen bei der Eigenvorsorge für das Alter - bezeichnete er das Geschäftsjahr 2018. Ins Jahr 2019 sei MLP gut gestartet. Für das Gesamtjahr erwartet er angesichts einer positiven Umsatzprognose und strikten Kostenkontrolle weiteres leichtes Gewinnwachstum. Insbesondere im Immobiliengeschäft mit der neuen Akquisition der Deutschland.Immobilien Gruppe glaubt er stark wachsen zu können.

Und schließlich kam, was kommen musste. Elfie Bülowius, die als einfache MLP-Aktionärin seit 2014 immer wieder den Antrag gestellt hatte, in den Aufsichtsrat gewählt zu werden, versuchte es auch dieses Jahr wieder. Die Aktionäre sind mittlerweile eher gelangweilt denn amüsiert von der Dame. Mehrfach musste sie vom Aufsichtsratsvorsitzenden Peter Lütke-Bornefeld zurechtgewiesen werden, sich in ihren Ausführungen auf das Geschäftsjahr 2018 von MLP zu konzentrieren. Als sie dann aber sogar Honoraransprüche aus ihren Auftritten vor der Hauptversammlung seit acht Jahren ableitet, erntet sie Gelächter von den rund 300 anwesenden Aktionären. "Lassen sie uns eine begründete Rechnung zukommen, wir werden dann rechtskonform darauf reagieren", so Lütke-Bornefeld.

Pauschale für Regionalzüge: Die Bahn schafft das schöne Wochenende ab

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Berlin. (dpa) Zu fünft quer durch Deutschland, für nur 15 Mark! Ok, in Bummelzügen, aber dieses Angebot war unschlagbar: 1995 führte die Deutsche Bahn das Wochenendticket ein, ein Pauschalpreis für alle Regionalzüge.

Und die Bürger machten sich auf: Kegelclubs, Studenten, Fußballfans, Junggesellenabschiede - nur drei Mark pro Nase, blieb mehr für Getränke.

Viele Millionen Menschen stiegen mit der Wochenend-Flatrate in die Bahn. Doch am 8. Juni ist Schluss. Zum letzten Mal werden die Automaten an Deutschlands Bahnhöfen das Stück Papier auswerfen, das inzwischen viel teurer ist als zu Beginn.

«Das Schöne-Wochenende-Ticket darf in den Ruhestand gehen», heißt es bei der Bahn. «Mangels Nachfrage und zur Vereinfachung der Tarifstruktur.» Fahrgastvertreter sprechen von einer Zäsur. Denn die Geschichte des Tickets zeigt auch, wie sich die Zeit für die Bahn und ihre Kunden in 24 Jahren geändert hat.

Die 1990er Jahre, da hatte man gerade die Bundesbahn hinter sich gelassen. Die Behördenbahn sollte ein richtiges Unternehmen werden. Und sie machte den Kunden ein echtes Lockvogel-Angebot: Die 15-Mark-Flatrate brachte an den ersten Wochenenden Chaos. Züge waren hoffnungslos überfüllt, Reisende blieben am Bahnsteig zurück.

Wer gehört zu wem? Schaffner stiegen im Getümmel nicht mehr durch. In der Bahn ging es zu wie am Wühltisch im Schlussverkauf. Gewerkschaften polterten: «Tarifpolitischer Schwachsinn».

Die Folge: Preisaufschläge und Beschränkungen des Tickets, zeitweise bei der Zahl der Reisenden, schließlich auf nur einen Tag. Überfüllte Züge gab es dennoch, die Bahn klagte über dreckige Wagen und Vandalismus, zuweilen musste der Grenzschutz Züge räumen.

Knapp sieben Millionen Karten wurden allein im Jahr 2000 verkauft. «Hat noch einer ein Wochenendticket?», fragten fahrscheinlose Reisende in Abteilen. Man nahm einander mit, mancher gab das Ticket an der Endstation weiter. Für ein paar Mark oder - später - Euro.

Und heute? Wer viel Zeit hat und wenig Geld, der ist nicht mehr auf Bummelzüge angewiesen. Fernbusse sind oft billiger, wenn auch nicht schneller. Millionen Fahrgäste nutzen Mitfahrzentralen, die in den 1990ern noch mit Karteikästen arbeiteten. Heute formen sie mit Apps und Algorithmen viel mehr Fahrgemeinschaften. Billigflieger sind selbst auf Inlandsstrecken unterwegs.

Die Bahn hat Konkurrenz bekommen - und lockt doch selbst immer mehr Kunden. 2,6 Milliarden Reisende waren es im vergangenen Jahr, rund eine Milliarde mehr als zu der Zeit, als sich die Manager das Wochenendticket ausdachten.

Es gibt Sparpreise und Super-Sparpreise, gegen die das Wochenendticket mit zuletzt 44 Euro für Alleinreisende schon recht teuer sein kann. Um es weiter anzubieten, hätte man es noch teurer machen müssen, heißt es bei der Bahn.

«Wir haben ein lachendes und ein weinendes Auge», kommentiert Karl-Peter Naumann als Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn das Ende. «Das Wochenendticket war ein tolles Pauschalticket, aber je übersichtlicher die Angebote, desto besser.»

Denn andere Karten bieten Ähnliches wie das Wochenendticket, und zwar an jedem Tag: Das Länderticket innerhalb einzelner Bundesländer für 23 Euro und das bundesweit gültige Quer-durchs-Land-Ticket für 44 Euro für Alleinreisende, plus 8 Euro für jeden Mitfahrer.

Das sind andere Dimensionen als die umgerechnet 7,67 Euro für fünf Leute, die das Wochenendticket zum Start kostete. «Das war zu wenig», meint Naumann. «Verkehr muss nicht so günstig sein, dass er künstlich erzeugt wird. Das System braucht auch Geld.»

Die Bahn steckt im Sanierungsstau. An vielen Stellen im 33.000 Kilometer langen Netz wurde jahrelang nur das Nötigste gemacht, manche Stellwerke sind museumsreif. 54 Milliarden Euro seien nötig, das Netz auf Vordermann zu bringen, heißt es beim Konzern, den knapp 20 Milliarden Euro Schulden plagen. Über frisches Geld wird mit dem Bund verhandelt, ein Teil des Auslandsgeschäfts steht zum Verkauf.

Das wird die Kunden am Fahrkartenautomaten wenig kümmern. Aber sie werden bemerken, dass der Wechsel vom Wochenendticket auf das Quer-durchs-Land-Ticket für sie Abstriche bringt: Dass es erst ab 9 Uhr gilt statt ganztägig, dass es für Mitfahrer teurer wird, dass sie nicht mehr Busse und U-Bahnen mitnutzen können. Korrekturforderungen des Bahnkunden-Verbands hat der Konzern bislang nicht erhört.

1,2 Milliarden im Prämien-Topf: Kaufprämie für Elektroautos wird verlängert

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Berlin. (dpa) Autofahrer können beim Kauf von Elektroautos länger als bisher geplant eine staatliche Prämie bekommen. Um die weiter schwache Nachfrage anzukurbeln, verlängert die Bundesregierung die Prämie bis Ende 2020.

Die Förderung kann aber schon vorher auslaufen, wenn der Prämien-Topf von insgesamt 1,2 Milliarden vor Ende 2020 leer ist. Ob es auch in den Jahren danach eine Förderung gibt, ist offen.

Die Prämie sollte eigentlich Ende Juni auslaufen. Der «Umweltbonus» war vor drei Jahren eingeführt worden, hat die Erwartungen bisher aber nicht erfüllt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kündigte am Freitag in Berlin die Verlängerung an, die sich bereits angedeutet hatte. «Wir brauchen Kontinuität bei der Förderung», sagte der CDU-Politiker, der die Federführung beim Umweltbonus hat.

Altmaier forderte die Autoindustrie auf, ihre Anstrengungen beim Ausbau der Elektromobilität zu verstärken. «Die Anzahl der E-Modelle, die im Markt verfügbar sind, wächst, aber hier ist die Industrie gefragt, noch bessere Angebote zu machen.» International erfolgreiche E-Autos seien auch entscheidend für den künftigen Erfolg der deutschen Autoindustrie und damit für hunderttausende Arbeitsplätze.

Für reine Batterieautos gibt es nach dem Programm 4000 Euro, für Hybridautos 3000 Euro Zuschuss. Das Elektroauto muss einen Netto-Listenpreis für das Basismodell von unter 60 000 Euro haben. Im Topf liegen insgesamt 1,2 Milliarden Euro, je zur Hälfte finanziert vom Bund und der Autoindustrie. Die Mittel sollen nicht erhöht werden.

Zwar steigen die Neuzulassungen für E-Autos in Deutschland, die Zahl der Fahrzeuge liegt aber immer noch auf einem niedrigen Niveau. Nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) lag 2018 der Bestand an Elektro-Pkw erst bei rund 83.000 Fahrzeugen, der an Hybrid-Pkw bei rund 341.000 Autos - bei einem Gesamtbestand von 57,3 Millionen Kraftfahrzeugen.

Deutlich mehr E-Autos in Deutschland sind auch deshalb notwendig, damit die Autobauer strengere Klimavorgaben der EU erfüllen können. Auch für die Bundesregierung ist ein Durchbruch der Elektromobilität wichtig, damit Klimaziele 2030 erreicht werden können. Nach der Prognose einer Regierungskommission sind dazu bis 2030 sieben bis zehn Millionen E-Autos nötig.

Wie es nach dem Auslaufen der Prämie weitergeht und ob diese noch einmal erhöht wird, ist offen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte vorgeschlagen, die Prämie zu verdoppeln. Scheuers Pläne sowie die anderer Ministerien werden im Klimakabinett der Bundesregierung beraten. Grundsatzentscheidungen über ein Maßnahmenpaket soll es im September geben.

Bisher sind für die Kaufprämie beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nach Angaben des Wirtschaftsministeriums rund 118.000 Anträge eingegangen. Die Fördersumme liegt bislang laut «Welt» bei rund 400 Millionen Euro.

Beim Aufbau der Elektromobilität in Deutschland gibt es derzeit noch verschiedene Hemmnisse. So gibt es noch keine flächendeckende Lade-Infrastruktur. Branchenverbände fordern seit langem zum Beispiel Änderungen im Miet- und Wohneigentümerrecht.

Aus Sicht des Verbands der Automobilindustrie ist für einen erfolgreichen Markthochlauf der E-Mobilität der schnelle und nachhaltige Ausbau der Ladeinfrastruktur die wichtigste Voraussetzung. Der derzeitige Bestand von 17.400 öffentlich zugänglichen Ladepunkten in Deutschland sei «absolut unzureichend».

Die Hauptgeschäftsführerin des Kommunalverbandes VKU, Katherina Reiche, sagte, es sei richtig, dass die Prämie für E-Autos verlängert werde. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur und kundenfreundliches Laden müssten aber zügig vorangebracht werden.

Kritik kam von der Opposition. Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte, die Kaufprämie sei gescheitert: «Die Bundesregierung setzt einseitig und planwirtschaftlich nur auf batteriegetriebene Elektromobilität, die deutsche Schlüsselindustrie um den Verbrennungsmotor wird beschädigt.»


Wenn die Konkurrenz abwirbt: Handwerkspräsident schlägt Ablösesummen für Azubis vor

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Berlin (dpa) - Betriebe könnten nach Überlegungen aus dem Handwerk künftig Ablösesummen zahlen, wenn sie Azubis gleich nach der Lehre von der Konkurrenz abwerben.

Zwei von drei Fachkräften, die im Handwerk qualifiziert würden, arbeiteten im Laufe ihres Berufslebens in anderen Wirtschaftsbereichen, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der Deutschen Presse-Agentur. «Unsere gut ausgebildeten jungen Leute werden abgeworben.» Er denke deshalb über eine Entschädigung für Ausbildungsgebtriebe nach, die Azubis direkt nach der Lehre verlieren.

Konkret könnte man regeln, dass Auszubildende in den ersten Jahren nach ihrer Lehre nur dann den Betrieb wechseln dürfen, wenn der neue Arbeitgeber einen Teil der Ausbildungskosten übernimmt, so der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Denn die Betriebe stecken während der dreijährigen Lehre viel Geld in ihre Azubis - oft mit dem Hintergedanken, die jungen Leute später zu übernehmen und dann ohne lange Einarbeitung direkt einsetzen zu können.

Was ein Auszubildender seinen Arbeitgeber kostet, ist je nach Branche unterschiedlich. Insgesamt zahle der Betrieb aber immer drauf, sagte Wollseifer. «Die Ausbildung kostet im ersten und zweiten Jahr Geld - im ersten Jahr viel, im zweiten Jahr etwas weniger. Im dritten Lehrjahr kommt dann auch ein bisschen was rein.»

Nach der aktuellsten Kosten-Nutzen-Rechnung des Bundesinstituts für Berufsbildung (bibb) hat ein Betrieb pro Azubi jährliche Kosten von etwa 18.000 Euro - zugleich aber erwirtschaftet der Lehrling rund 12 500 Euro. Der Betrieb lässt sich einen passgenau ausgebildeten Mitarbeiter bei dreijähriger Ausbildung also mehr als 15.000 Euro kosten.

Einige Branchen müssen derzeit zudem damit rechnen, dass die Ausbildung noch teurer wird. Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) plant einen Azubi-Mindestlohn: Alle Auszubildenden sollen vom kommenden Jahr an im ersten Lehrjahr mindestens 515 Euro im Monat verdienen. Im zweiten und dritten Lehrjahr soll es noch mehr geben. Das Handwerk sei von diesen Regelungen besonders betroffen, sagte Wollseifer - «weil wir der stärkste Ausbilder sind». 28 Prozent aller Lehrlinge in Deutschland lernten in Handwerksbetrieben.

Die meisten von ihnen verdienen schon jetzt mehr als den geplanten Mindestlohn - aber längst nicht alle. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bekamen Ende 2017 fast 65.000 Azubis weniger als 400 Euro im Monat, weitere 50.000 unter 500 Euro - zusammen mehr als sieben Prozent aller Auszubildenden. Vor allem ostdeutsche Betriebe müssten mit dem neuen Mindestlohn deutlich mehr in die Ausbildung investieren - zum Beispiel Metzgereien, wo Azubis nach bibb-Daten derzeit nur 310 Euro verdienen. Auch Raumausstatter- und Friseur-Lehrlinge im Osten sowie angehende Schornsteinfeger in ganz Deutschland werden vom geplanten Mindestlohn profitieren.

Den Betrieben werde das Probleme bereiten, sagte Wollseifer. Sie könnten die Mehrkosten auch nicht einfach umlegen, da die Kunden nicht bereit seien, mehr zu zahlen. «Höhere Löhne und Vergütungen für Beschäftigte fordern, ist das eine, aber das andere ist es, dann für die Handwerksleistung auch einen entsprechend wertschätzenden Preis zu zahlen», sagte er.

bibb zu Ausbildungsvergütung

Neue Preise gelten ab Juli: Post erhöht Briefporto - Standardbrief kostet jetzt 80 Cent

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Bonn (dpa) - Briefporto wird in Deutschland teurer. Das Versenden eines Standardbriefs im Inland soll von Juli an 80 Cent kosten statt bisher 70 Cent, wie der Konzern am Montag in Bonn mitteilte. Für die Postkarte ist eine Erhöhung von 45 auf 60 Cent vorgesehen, auch andere Briefarten werden teurer.

Zuvor hatte die Bundesnetzagentur einen sogenannten Preiserhöhungsspielraum festgelegt - auf dieser Basis beantragte die Post daraufhin das Porto in den einzelnen Sendungsarten. In einem abschließenden Schritt nimmt die Behörde den Antrag unter die Lupe, was aber als Formsache gilt.

Die Erhöhung ist umstritten - ursprünglich sollte das Porto insgesamt nicht so stark steigen wie nun vorgesehen. Die Bundesnetzagentur hatte im Januar einen Erhöhungsspielraum von 4,8 Prozent vorgeschlagen, was der Bonner Konzern mit Verweis auf kontinuierlich sinkende Briefmengen bei höheren Personalkosten als zu wenig kritisiert hatte. Daraufhin bekam das Unternehmen Schützenhilfe von der Bundesregierung, die eine Verordnung änderte und den Spielraum für Preiserhöhungen vergrößerte. Die Netzagentur musste erneut rechnen und kam auf einen Erhöhungsspielraum von 10,6 Prozent für das Gesamtporto aller Briefarten.

Die Konkurrenz der Post warf dem Bund daraufhin vor, den Wettbewerb zu verzerren - Paketdienste wie Hermes, DPD und GLS stört es, dass die Post durch die staatlich bewilligte Portoanhebung mehr Geld bekommt, womit sie ihren Paketbereich stärken kann. Die Post führt ihren Post- und Paketdienst in einem Bereich, mancherorts tragen ihre Angestellten sowohl Briefe als auch Pakete aus.

Der FDP wiederum war die Doppelrolle des Bundes beim ehemaligen Staatsmonopolisten ein Dorn im Auge: Einerseits ist die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellte Bundesnetzagentur Aufsichtsbehörde über die Post, andererseits ist der Bund Großaktionär des Unternehmens - von einer Portoerhöhung profitiert indirekt also auch die Staatskasse, wenn die Post Dividende zahlt.

Der frühere Staatsmonopolist wiederum stellt die Erhöhung als angemessen dar, auch weil er als Universaldienstleister zur schnellen Beförderung verpflichtet ist und entsprechend hohe Kosten hat für zahlreiche Briefkästen und viel Personal.

Zuletzt war das Porto Anfang 2016 angehoben worden, damals lag der Preiserhöhungsspielraum bei 7,5 Prozent - das Versenden eines Standardbriefs verteuerte sich zum Beispiel von 62 auf 70 Cent, das Verschicken einer Postkarte blieb damals gleich teuer.

Ermittlungen gegen Reinigungsfirma: Hoteldurchsuchung auch in Heidelberg

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Schweinfurt/Heidelberg. (dpa-lsw) Wegen Ermittlungen gegen ein Reinigungsunternehmen aus Unterfranken haben einige Hundert Zollbeamte bundesweit Hotels durchsucht. Schwerpunkte seien am Dienstag namhafte Häuser in Heidelberg, München, Berlin und Hamburg gewesen, sagte eine Sprecherin vom Zollamt Schweinfurt. Einzelheiten wollte der Zoll auf Nachfrage der RNZ nicht bekannt geben. Lediglich, dass 10 Zollbeamte in Heidelberg im Einsatz waren.

Die Reinigungsfirma soll Arbeitnehmer nicht nach Tarif entlohnt haben. Statt nach Stunden seien die Mitarbeiter vermutlich nach der Zahl der gereinigten Zimmer bezahlt worden.

Dadurch habe das Unternehmen mutmaßlich zu wenig Sozialversicherungsabgaben gezahlt. Auch Steuerhinterziehung sei nicht ausgeschlossen. 13 Objekte - größtenteils Hotels - wurden durchsucht und Mitarbeiter befragt.

Nachhaltiger Konsum: Kunden benutzen im Supermarkt häufig noch Plastiktüten

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Berlin. (dpa/RNZ) Kunden greifen im Supermarkt immer noch häufig zu sehr leichten Plastikbeuteln. Der Verbrauch dieser Tüten, die etwa oft an Obsttheken ausliegen, ist - im Gegensatz zu den dickeren Tragetaschen - in den vergangenen Jahren nicht spürbar zurückgegangen. Im vergangenen Jahr wurden pro Kopf 37,3 dieser Tüten genutzt, im Jahr zuvor waren es 39,5 Stück, nach 36,3 im Jahr 2016. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion hervor, über die die "Neue Osnabrücker Zeitung" am Dienstag berichtete.

Viele Händler geben Tragetaschen nicht mehr umsonst an Kunden aus, sondern verlangen Geld. Doch bei Tüten, deren Wandstärke unter 15 Mikrometern liegt, ist das nicht der Fall. Diese sogenannten Hemdchenbeutel sind kein Teil der Vereinbarung zwischen Handel und EU.

Die schwereren Plastiktüten sind in den vergangenen Jahren immer weniger genutzt worden. Pro Kopf verbrauchten die Bundesbürger im vergangenen Jahr noch 24 Tüten - das waren fünf weniger als im Jahr zuvor, wie die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung ermittelt hat. 2016 lag der Verbrauch noch bei 45 Tüten pro Kopf, 2015 sogar bei 68.

Die FDP kritisierte, dass nicht erfasst wird, wie sich die Nutzung von Papiertüten entwickelt hat. "Es ist scheinheilig, sich für den Rückgang der Plastiktüten feiern zu lassen, wenn Zahlen zum Konkurrenzprodukt nicht erhoben werden", sagte Judith Skudelny, umweltpolitische Sprecherin der FDP.

Das Bundesumweltministerium teilte mit, Ministerin Svenja Schulze (SPD) habe den Handel aufgefordert, bis zum Herbst darzulegen, wie der Einsatz von Plastikverpackungen deutlich reduziert werden könne. Sie erwarte konkrete Zusagen des Handels. Neben Hemdchenbeutel sollen auch Vorschläge für alle anderen Plastikverpackungen - speziell im Lebensmittelbereich - gemacht werden. "Einige Handelsketten haben bereits damit begonnen, bei Gemüse Verpackungen gänzlich wegzulassen. Das ist der richtige Ansatz", so das Ministerium.

Bei anderen Plastik-Artikeln wie etwa Besteck, Teller und Strohhalme setzt die EU auf Verbote: Diese Artikel dürfen von 2021 an nicht mehr verkauft werden.

Allerdings sollten Verbraucher wissen, dass Plastik an sich nicht immer gleich mit einer schlechten Umweltbilanz einhergeht. "Viele Plastiktüten haben eine bessere Öko-Bilanz als Papiertüten", sagte Benedikt Kauertz vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) der RNZ im vergangenen Jahr. Grund sei das höhere Gewicht von Papiertüten.

"Zudem sind Plastiktüten deutlich stabiler, können also theoretisch viel häufiger genutzt werden als eine Papiertüte." Und nur weil eine Papiertüte braun sei, heiße das nicht, dass sie aus recyceltem Papier bestehe. Um eine gewisse Reißfestigkeit zu garantieren, seien Papiertüten meist aus "primärem Papier" - dafür müssten also Bäume gefällt werden.

Auch mit eingeschweißten Gurken hat sich Kauertz beschäftigt. Zwar scheine es auf den ersten Blick für die Umwelt katastrophal, wenn jede Gurke einzeln eingeschweißt wird. Allerdings würde durch diese Folie die Lebensdauer der Gurken deutlich erhöht, sodass sie die langen Transportwege gut überstehen.

Ohne diese Folie gehe vom Feld bis zum Supermarkt rund ein Drittel der Ware verloren. Mit Blick auf den Einsatz von Ressourcen sei die Plastikfolie also für die Umwelt nicht schlecht. Allerdings: Besser sei natürlich die Gurke vom Bauer um die Ecke, die ganz ohne Plastikverpackung auskomme.

Digitaler Ausbau: Heideldruck kauft Start-up Crispy Mountain

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Wiesloch. (kla) Heidelberger Druckmaschinen hat das Mainzer Start-up Crispy Mountain übernommen. Damit will der Druckmaschinenhersteller den Ausbau digitaler Geschäftsmodelle vorantreiben. Der Kauf sei eine Zukunftsinvestition, erklärte ein Konzernsprecher am Mittwoch. Zu Kaufpreis, Umsatz und Mitarbeiterzahl des Start-Ups machte er keine Angaben.

Crispy Mountain sei ein kleines Unternehmen, das bereits für die grafische Industrie Software entwickle und das mit Keyline bereits eine cloudbasierte Management-Plattform für Druckereien anbiete, so der Sprecher. Bei cloudbasierten Angeboten wird die Software nicht an die Kunden verkauft. Stattdessen bleiben die Programme in den Rechenzentren der Anbieter und werden lediglich an die Nutzer vermietet.

Gemeinsam mit Crispy Mountain will Heidelberger Druckmaschinen nun die Plattform "HEI.OS" aufbauen. Wie in einem App-Store sollen etwa Druckereien dort alle Anwendungen beziehen können, die sie brauchen: von der Pflege der Kundenkontakte über die Kalkulation bis zur Rechnungsstellung. Für die Entwicklung soll nun die Erfahrung des jungen Start-Up-Teams genutzt werden.

Heidelberger Druckmaschinen stellt schrittweise den Verkauf einzelner Softwarelizenzen auf ein nutzungsorientiertes Subskriptionsmodell um. Konzernchef Rainer Hundsdörfer nennt das "digitale Transformation". Zuletzt musste er seine mittelfristige Prognose korrigieren, wonach der Umsatz drei Milliarden Euro erreichen und ein Jahresüberschuss von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftet werden soll.

Die konjunkturellen Rahmenbedingungen würden die mittelfristigen Wachstumsaussichten verzögern, teilte der Konzern Anfang Mai mit. Eine konkrete Prognose gab es nicht. Vorläufigen Zahlen zufolge stieg der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr um drei Prozent auf 2,49 Milliarden Euro, der Gewinn nach Steuern von 14 auf 21 Millionen Euro. Heute stellt der Konzern die Zahlen für das Geschäftsjahr 2018/19 vor.

Müllgebühren: So teuer ist der Abfall in Heidelberg im bundesweiten Vergleich

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Berlin. (dpa) Müll kann für Haushalte in Deutschland sehr teuer sein. Nach einer Studie klaffen die Gebühren weit auseinander: Am günstigsten ist es in Flensburg, Nürnberg und Magdeburg. Am teuersten in Leverkusen, Moers und Bergisch Gladbach, wie ein Vergleich des Forschungsunternehmens IW Consult für den Eigentümerverband Haus und Grund ergab. Demnach unterscheiden sich die jährlichen Gebühren zum Teil um mehr als 600 Euro. Die Abfallwirtschaft der Städte sieht solche Vergleiche skeptisch.

Haus und Grund ließ zum zweiten Mal die Entsorgungskosten für Restmüll, Biomüll, Sperrmüll und Altpapier in den 100 größten Städten vergleichen. Heidelberg landete dabei auf Rang 33, Mannheim auf Platz 64. Grundlage für die Berechnung war ein symbolischer Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern, die in einem Einfamilienhaus leben - eine übliche Vergleichsgröße, die jedoch in Großstädten nicht immer dem durchschnittlichen Haushaltstyp entspricht. Veranschlagt werden 60 Liter Restmüll je Haushalt und Woche. In Flensburg zahlt ein solcher Haushalt demnach im Mittelwert gut 123 Euro pro Jahr für die Müllabfuhr, in Leverkusen dagegen 771 Euro. In Heidelberg sind es 245 Euro, in Mannheim fast 299 Euro, in Heilbronn (Platz 30) 245 Euro, in Ludwigshafen (48) 282 Euro.

Kein realistisches Bild ergeben solche Vergleiche aus Sicht des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Er vertritt auch städtische Abfall- und Stadtreinigungsbetriebe. Zur Rechnung gehörten viele weitere Faktoren, darunter wie weit Müllwagen zu fahren haben, wie groß die Tonne ist und wie oft sie geleert wird, wie Wertstoffhöfe finanziert werden und ob Anlagen schon abgeschrieben sind.

Eigentümerverband und das Institut sehen die Stadt Nürnberg als Vorbild. Einwohner könnten dort die Größe der Restmüllbehälter frei wählen und so an den tatsächlichen Verbrauch anpassen. Das Gebührensystem sei zudem sehr einfach gehalten.

Wiesloch: Heideldruck-Chef glaubt fest an digitale Strategie

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Barbara Klauß

Wiesloch/Frankfurt. Als "alternativlos" bezeichnet Rainer Hundsdörfer, Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen, die digitale Marschrichtung, die er dem Druckmaschinenhersteller vorgegeben hat. Zwar kommt der Konzern beim Umbau langsamer voran als gedacht, zunehmend werden Zweifel laut, ob die Strategie aufgeht - doch gibt sich Hundsdörfer überzeugt.

"Wir sind sehr zufrieden mit unserer Strategie", sagt er bei der Vorlage der Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr. Durch den Ausbau digitaler Geschäftsmodelle werde Heidelberger Druckmaschinen "mittelfristig wieder in den Wachstumsmodus schalten und weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen sein".

Doch zunächst musste der Vorstandsvorsitzende vor wenigen Wochen bei der Vorlage vorläufiger Zahlen für das Geschäftsjahr erstmals seine mittelfristigen Ziele korrigieren, wonach der Umsatz im Geschäftsjahr drei Milliarden Euro und der Jahresüberschuss 100 Millionen Euro erreichen sollte.

Das Geschäft mit Digitaldruckmaschinen läuft nicht wie erhofft, was der Konzern mit der zunehmend schwächeren Konjunktur begründet. Der Auftragseingang ging zurück, das Geschäft mit Verbrauchsgütern schwächelte. Manchem Beobachter fehlen Visionen. Dennoch verbreitet Hundsdörfer Optimismus.

Das neue Subskriptionsmodell, bei dem Kunden die Druckmaschine nicht mehr kaufen, sondern leihen und pro bedrucktem Bogen zahlen, funktioniere: "Der Beweis ist erbracht." Rund 30 Verträge wurden ihm zufolge im abgelaufenen Geschäftsjahr abgeschlossen. Und Hundsdörfer spricht von einer steigenden Nachfrage. Mittelfristig soll ein Drittel des Gesamtumsatzes durch dieses Vertragsgeschäft erwirtschaftet werden.

Zudem arbeitet der Konzern an einer Plattform ("HEI.OS"), über die Druckereien künftig wie in einem App-Store alle Software und Verbrauchsmaterialien beziehen können, die sie brauchen. Langfristig will der Konzern auch Anbieter wie etwa Papier- und Plattenhersteller auf diese Plattform holen.

"Wenn die ihr Geschäft mit ihren Kunden über uns machen, machen wir es zwar nicht - aber wir kriegen eine Transaktionsgebühr", erklärt Hundsdörfer. So soll Heideldruck zum "Amazon der Druckindustrie" werden. Bei der Entwicklung wird der Konzern vom Mainzer Software-Startup Crispy Mountain unterstützt, das die Wieslocher gerade übernommen haben.

Der Vorstandschef redet viel über Ideen und Potenziale. Etwa über den Druck organischer Elektronik. Als Beispiel nennt er Plättchen beim Zahnarzt, die ein genaues Druckmodell des Patienten erstellen, wenn er drauf beißt. Aus seiner Sicht sind das die zukunftsträchtigsten Geschäftsfelder.

Nicht nur die Geschäftsfelder des traditionsreichen Druckmaschinenbauers ändern sich - auch die Struktur und das Personal. Hundsdörfer spricht von einer "gezielten Verschlankung" des Konzerns und von Effizienzsteigerung. So sei etwa ein Altersteilzeitprogramm weitgehend umgesetzt. Heidelberger Druckmaschinen habe relativ viele ältere Mitarbeiter, die in den kommenden drei bis vier Jahren in den Ruhestand wechseln würden.

"Wir wollen verhindern, dass 500 Leute auf einmal von Bord gehen", sagt der Vorstandschef. An anderen Stellen, etwa im Bereich der Digitalisierung, würden neue Leute eingestellt. Insgesamt geht Finanzvorstand Dirk Kaliebe jedoch davon aus, dass die Belegschaft in Deutschland (derzeit rund 7570 der weltweit 11.581 Mitarbeiter, rund 5000 davon in Heidelberg und Wiesloch) in Summe eher schwächer werde.

Der Hauptsitz am Stammwerk in Wiesloch wird nach und nach zum "Hightech-Standort" umgewandelt. Dort, am "teuersten Standort" soll Hundsdörfer zufolge nicht mehr alles gemacht werden, sondern nur noch die "knowhow-kritischen Dinge". Entsprechend baut der Konzern auch die Shared-Services aus, verlagert also etwa Verwaltungsaufgaben wie das Rechnungswesen nach Warschau.

Für das laufende Geschäftsjahr geht Heidelberger Druckmaschinen nun "trotz einer schwächeren Weltkonjunktur" bei einem "vorsichtigen Ausblick" von einer stabilen Entwicklung im Kerngeschäft und Zuwachs beim Subskriptionsmodell aus - sowie von einem Umsatz und Nachsteuerergebnis auf Vorjahresniveau. "Wir werden zunehmend die Früchte aus unseren strategischen Maßnahmen sehen", bekräftigt Hundsdörfer.

Bilanz 2018/2019:

> Umsatz: 2,49 Milliarden Euro

> Vorjahr: 2,42 Milliarden Euro

> Ergebnis nach Steuern: 21 Millionen Euro

> Vorjahr: 14 Millionen Euro


Gewaltiges Programm: So will die Bahn auf 260 Millionen Fahrgäste kommen

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Von Anna Ringle und Burkhard Fraune

Berlin. Mit einem milliardenschweren Kraftakt will die wegen Pannen und Zugausfällen unter Druck stehende Deutsche Bahn das Angebot für Reisende in den nächsten Jahren ausbauen und verbessern. Der Staatskonzern hat sich zum Ziel gesetzt, im Fernverkehr auf mehr als 260 Millionen Fahrgäste pro Jahr zu kommen - das sind im Vergleich zu 2015 doppelt so viele. Das geht nach dpa-Informationen vom Freitag aus einer neuen Konzernstrategie des bundeseigenen Unternehmens hervor. Ein konkretes Zieljahr ist nicht genannt.

Um die Verdopplung zu schaffen, soll in den nächsten Jahren investiert werden: In rund 100.000 neue Mitarbeiter und in einen Ausbau der Fernverkehr-Flotte von rund 460 Zügen auf bis zu 600. Die Kapazität in der Schieneninfrastruktur soll um 30 Prozent steigen.

Die Deutsche Bahn steht schon länger unter Druck. Vor allem das veraltete Schienennetz belastet den Konzern, der 2018 trotz Fahrgastrekords im Fernverkehr einen Gewinneinbruch verbuchen musste. Bahnkunden bekommen die Probleme zu spüren. Jetzt kommt für die Bahn ein weiteres Problem hinzu: Der Konzern prüft Auffälligkeiten bei Beraterverträgen mit Managern. Die Dimension ist noch nicht bekannt. Nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen kommt das Kontrollgremium am Donnerstag (13. Juni) zu einer Sondersitzung zusammen.

Im Kern dreht es sich dem Vernehmen nach vor allem um Beraterverträge mit einem früheren Vorstandsmitglied. Der Manager habe nach seinem Ausscheiden eine Millionenabfindung erhalten, anschließend aber noch eine höhere sechsstellige Summe für Beratungsleistungen bekommen. Bei anderen Beratern soll die Summe jeweils im vier- oder fünfstelligen Bereich gelegen haben.

Mit der "Starke-Schiene"-Strategie will sich die Bahn künftig auf das Kerngeschäft konzentrieren. Die Leitlinie soll Mitte Juni bei einem regulären Treffen des Aufsichtsrates Thema sein. Einen formalen Beschluss braucht es nach dpa-Informationen nicht. Dass die Bahn mehr in Züge und Infrastruktur investieren will, ist nicht neu. Auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist als Ziel festgehalten, dass die Zahl der Bahnkunden verdoppelt werden soll. Ein weiteres Ziel: Bahnhöfe sollen zu Zentren urbanen Lebens entwickelt werden. Die Verknüpfung zu anderen Verkehrsträgern wie Bus, Rad, Elektro-Tretrollern oder Car-Sharing soll verbessert werden.

Wieviel Geld all das kosten wird, ist unklar. Der Konzern rechnet ohnehin damit, dass die Schulden Ende des Jahres bereits bei 20 Milliarden Euro angelangt sein könnten.

Ein anderer Aspekt der Strategie: Die Bahn hebt in Zeiten von guten Umfragewerten für die Grünen und Klimademos den Klimaschutz hervor - was etwa bei der Umweltorganisation Greenpeace am Freitag auf positives Echo stieß. Die Bahn will schneller komplett auf Ökostrom umstellen. Für den Klimaschutz soll das bereits bis 2038 erfolgen.

Zentralverband Deutsches Handwerk: Das ist die Lage bei Azubis

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Von Gernot Heller und Andreas Herholz, RNZ Berlin

Berlin. Mit seiner Idee einer Ablösezahlung für Azubis hat Hans Peter Wollseifer für Wirbel gesorgt. Im Interview mit unserer Berliner Redaktion spricht der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) über die Anerkennung der Ausbildungsleistung, über fehlende Kräfte im Handwerk und über Standortnachteile.

Herr Wollseifer, wie sieht die Lage bei Auszubildenden im deutschen Handwerk aus?

Erfreulich ist, dass seit 2015 jedes Jahr wieder mehr neue Ausbildungsverträge im Handwerk abgeschlossen worden sind - und das trotz sinkender Schulabgänger-Zahlen und eines ungebrochenen Drangs ins Studium. Trotzdem können auch schon seit Jahren immer zwischen 15.000 bis 20.000 angebotene Ausbildungsplätze nicht besetzt werden, im vergangenen Jahr waren es 17.400. Das hat natürlich über die Jahre kumuliert dazu geführt, dass uns jetzt die Fachkräfte fehlen. Wenn 54 Prozent der Schulabgänger ins Studium gehen, sind viele potenzielle Bewerber fürs Handwerk verloren.

Ich bin weit entfernt von einem Akademiker-Bashing: Aber die Folge ist, dass der Fachkräftesockel, auf dem unsere ganze Wirtschaft ruht, immer brüchiger wird. Wenn wir da nicht gegensteuern und mit einer Bildungswende die berufliche Bildung wieder verstärkt in den Fokus rücken und fördern, dann wird dieser Sockel bald nicht mehr tragfähig sein.

Und wie groß ist die Fachkräftelücke im Handwerk?

Nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit bräuchten wir mindestens 150.000 Fachkräfte mehr im Handwerk. Wir hören aber von vielen unserer Betriebe, dass sie ihren Bedarf gar nicht mehr der BA melden, weil das ohnehin nicht helfe. Aber auch Eigeninitiative bringt nicht den durchschlagenden Erfolg, schlicht weil es die Fachkräfte nicht gibt. In einer aktuellen Umfrage von uns sagten rund 40 Prozent der Betriebe, dass sie sich im vergangenen Jahr zwar intensiv um neues Personal bemüht hätten, aber ohne Erfolg. Vor diesem Hintergrund gehen wir daher davon aus, dass uns aktuell mehr als eine Viertel Million Fachkräfte im Handwerk fehlen.

Gibt es Mangel-Schwerpunkte in Einzelbereichen des Handwerks?

Quer durch die Bank fehlen uns in fast allen Gewerken und Regionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wird das langsam ein Standortnachteil, bremst das?

Ganz klar: Der Fachkräftemangel bremst unser Wachstum im Handwerk. Die Auftragsbücher sind so voll, dass manche Aufträge nicht mehr angenommen werden können, weil einfach nicht genügend Leute da sind. Mit der Auftragsablehnung sagt man also zugleich Umsatz ab, den man sonst durch den Auftrag reingeholt hätte. Derzeit läuft die Handwerkskonjunktur weiter hochtourig. Wir profitieren vom Binnenmarkt, von niedrigen Zinsen, hohen Lohnzuwächsen, großer Kaufkraft. Und wir stabilisieren derzeit die Gesamtwirtschaft. 92 Prozent unserer Betriebe beurteilen ihre Geschäftslage als gut oder befriedigend. Wir gehen davon aus, dass es erst einmal weiter sehr gut laufen wird und erwarten ein Umsatzwachstum von bis zu vier Prozent. Voraussichtlich wird sich dieser gute Lauf auch ins kommende Jahr hinein fortsetzen. Wenn wir im jährlichen Durchschnitt drei Prozent künftig halten würden, wäre das sehr gut.

Sie fordern eine Ablöse für Azubis, die nach der Lehre den Betrieb verlassen. Wie soll dies konkret aussehen?

Um es erst einmal klarzustellen: Von einer Ablöse habe ich nicht gesprochen, und schon gar nicht schwebt mir ein Transfersystem wie im Fußball vor. Woran mir lag war, eine Debatte in Gang zu setzen über die Ausbildungsleistung im Handwerk und über deren Anerkennung. Ich wollte mit einer ersten, noch keineswegs von konkreten Konzepten unterlegten Idee, mit einem ersten Gedankenanstoß den Blick auf die gesamtgesellschaftliche Leistung des Handwerks in Sachen Ausbildung lenken. Das hohe Ausbildungsengagement des Handwerks und seiner Betriebe wird nach meinem Eindruck von Vielen für selbstverständlich genommen.

Das ist es aber nicht, und das verdient Anerkennung - ich denke, auch eine finanzielle Anerkennung. Wer ausbildet, übernimmt nicht nur soziale und gesellschaftspolitische Verantwortung. Er hat auch hohe Kosten. Durchschnittlich investiert ein Betrieb bei einer dreijährigen Lehre rund 16.500 Euro in die Ausbildung eines jungen Menschen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir diese Ausbildungsbetriebe besser entlasten können.

Urteil des Verwaltungsgerichts: Massenhaftes Kükentöten ist nur noch übergangsweise zulässig

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Leipzig (dpa) - Das millionenfache Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht ist nur noch für eine Übergangszeit zulässig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag entschieden (Az.: BVerwG 3 C 28.16 und 3 C 29.16).

Mit seinem Urteil wertete das Gericht die Tierschutzbelange auf. Trotzdem darf das Töten vorerst weitergehen - bis den Brutbetrieben praxisreife Verfahren zur Geschlechtsbestimmung schon im Hühnerei zur Verfügung stehen. Die Geflügelbranche begrüßte das Urteil. Tierschützern geht es dagegen nicht weit genug.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärte, Alternativen zu der jahrzehntelang hingenommenen Praxis des Kükentötens gebe es bereits. Sie drängte darauf, das Massentöten männlicher Küken «so schnell wie möglich» zu beenden. Ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung sei auf dem Weg zur Serienreife und werde Brütereien bald flächendeckend zur Verfügung stehen. «Verbände und Unternehmen nehme ich hier in die Pflicht», sagte sie. Sie habe die klare Erwartung, dass diese tätig werden. Zugleich hätten es aber auch die Verbraucher in der Hand, indem sie zu Eiern griffen, die ohne Kükentöten erzeugt wurden.

Aus Sicht der Bundesrichter reichen die von der Geflügelwirtschaft bislang angeführten wirtschaftlichen Gründe als Rechtfertigung für das Töten nicht mehr aus. Laut Tierschutzgesetz darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Wirtschaftliche Interessen und der Tierschutz - darum drehte sich der Streit. «Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe», erklärte nun das Gericht. Dem Leben der männlichen Küken dürfe nicht von vornherein jeder Eigenwert abgesprochen werden.

Jedes Jahr werden in Deutschland laut Bundesagrarministerium rund 45 Millionen männliche Küken nach dem Schlüpfen getötet. Das Problem: Für die Produktion von Eiern werden Legehennen gezüchtet. Die Rassen sind drauf getrimmt, viele Eier in kurzer Zeit zu legen. Sie setzen kaum Fleisch an, so dass sie sich für die Mast nicht eignen. Männliche Tiere braucht man dagegen nicht. Weil man das Geschlecht mit den bisher gängigen Methoden erst nach dem Schlüpfen erkennen konnte, werden die männlichen Küken vergast.

Das damals rot-grün regierte Land Nordrhein-Westfalen hatte das Kükentöten 2013 per Erlass stoppen wollen. Zwei Brütereien aus NRW klagten dagegen. In den Vorinstanzen setzten sie sich jeweils durch.

Auch das Leipziger Urteil wertete der Anwalt der Brütereien, Martin Beckmann, als Erfolg. Die Betriebe hätten immer erklärt, dass sie das Töten beenden wollten - sobald ihnen Alternativverfahren zur Geschlechtsbestimmung zur Verfügung stünden. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft erklärte: «Wir wollen lieber heute als morgen aus dem Kükentöten aussteigen. Ohne praxistaugliche Alternativen geht das aber nicht.» Es müsse alles daran gesetzt werden, dass die entsprechende Technik möglichst flächendeckend zur Verfügung stehe.

Tierschützer werteten die Gerichtsentscheidung als nicht weitgehend genug. «Es ist damit zu rechnen, dass sie positive Implikationen für den Tierschutz haben wird», sagte Peta-Anwalt Christian Arleth. Er kritisierte aber, dass das Gericht den Ball an die Politik zurückspiele und sich darauf verlasse, dass verbindliche Maßstäbe gesetzt würden.

Der Deutsche Tierschutzbund beklagte, dass das Gericht keine Frist festgelegt habe: «Wir hätten uns ein sofortiges Verbot gewünscht.» Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, mahnte in dieser Frage endlich Klarheit an. «Für Verlässlichkeit und Planungssicherheit würde dabei ein Ausstiegsdatum sorgen», sagte er der «Rheinischen Post» (Freitag).

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat die Forschung an alternativen Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei mit Millionenaufwand gefördert. Zwei Methoden - die endokrinologische und die spektroskopische - funktionieren, sind aber noch nicht im Serieneinsatz. Tierschützer machen sich zudem für das sogenannte Zweinutzungshuhn stark. Das sind Hühner, die sowohl für die Eierproduktion als auch für die Mast gehalten werden können.

Neidenstein: Gelatine-Innovation hält Einzug ins Burgdorf

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Von Berthold Jürriens

Neidenstein. Wenn man vom Obstbaumweg hinunterläuft, dann offenbart sich seit einiger Zeit ein imposanter Blick mit einem Motiv, das wohl wie kein zweites die Vergangenheit und die Zukunft des Burgdorfes veranschaulicht: Im Hintergrund die mittelalterliche Burg, davor glänzt das gerade fertiggestellte Verwaltungs- und Produktionsgebäude der Gelinova GmbH auf einer Fläche von rund 2750 Quadratmetern. Bürgermeister Frank Gobernatz und Gemeinderäte waren jetzt zur Besichtigung Gast.

"Wir haben hier noch keinen laufenden Betrieb", erfuhren die Besucher von Hendrik Koepff, der mit seinem Vater Peter Koepff und Helmut Burth die Geschicke der Gelinova leitet. Zunächst sei ein mindestens sechsmonatiger Probelauf geplant, bevor man in die eigentliche Produktion gehen könne. Doch eine Vorstellung, wie im Industriegebiet "Fuchslochweg" unter anderem mit einem ressourcenschonenden Verfahren Biofolie, Blattgelatine und Rollenware hergestellt werden wird, erfuhr man bereits bei einem Rundgang durch die große Halle.

Peter und Hendrik Koepff erläuterten die Produktion, stellten die "hochmodernen" Maschinen mit "Doppelschneckenextruder" und die Vielseitigkeit der Anlage vor, die erweiterbar sei. "Wir haben extra genug Platz gelassen", sagte Peter Koepff, der als "Gelatine-, Kollagen- und Kollagenhydrolysat-Fachmann" zuvor eine Einführung in die Welt der Gelatine und pflanzlicher Hydrokolloide unter anderem für Verpackungszwecke zum Besten gab. "Gelatine besitzt eine außergewöhnliche Anzahl an funktionalen Eigenschaften, die sie in sich vereint und es vielseitig einsetzbar macht."

Auch das Patent zur Herstellung von Biofolien/Blattgelatine fand Erwähnung, das Koepff damals mit andern Mitarbeitern entwickelt habe. Gelita hatte an der Nutzung aber kein Interesse und es Koepff zur Übernahme übertragen. Dass diese innovative Technik ungenutzt blieb, habe er immer bedauert. Produkte für die Kosmetik-, die Süßwaren- und Diätetikindustrie können ebenfalls auf der neuen universell einsetzbaren Anlage entwickelt werden. Unter anderem sei Kollagen, das Zwischenprodukt der Gelatineherstellung, eine Basis für Mittel zur Nahrungsergänzung und Anti-Falten-Cremes. Auch Agar-Agar, ein aus Zellwänden von Algen hergestelltes Geliermittel, das als pflanzliches Verdickungsmittel in der Lebensmittelherstellung eingesetzt wird, soll zukünftig als veganes Produkt und umweltschonende Alternative zu Kunststoff Verwendung finden.

Neben den "Produktionshallen mit Pharmaqualität" und Edelstahltüren wird ein noch einzurichtendes Labor über die Qualität der Rohstoffe und Endprodukte wachen. Wie sehr der "Wohlfühlfaktor" der Mitarbeiter eine Rolle spielt, zeigte sich bei den hellen und großzügigen Büroräumen, der Dachterrasse mit Burgblick und einem repräsentativen Raum mit Kamin für die "weltweit größte und bedeutendste Gelatine-Fachbibliothek", in der auch Ausstellungen ihren Platz finden könnten, sagte der Heidelberger. Koepff engagiert sich mit seiner Frau Karin für viele kulturelle Projekte und steuerte auch eine Spende zur 700-Jahrfeier des Burgdorfes bei, für die sich Gobernatz bedankte: "Die Gemeinde ist froh, dass Sie sich für diesen Standort entschieden haben."

"Wir freuen uns über das neuartige Verfahren und viele neue Produkte für die Industrie", meinte Hendrik Koepff, der eine mögliche Konkurrenzsituation bei überschneidenden Produkten mit der Gelita AG "sportlich" sehen würde. Peter Koepff äußerte sich detaillierter zu den Streitigkeiten mit dem Eberbacher Unternehmen. Dieser Konflikt zwischen den Familienzweigen um seinen Neffen und Hauptaktionär Philipp Koepff und ihm selbst, der mit seinen Kindern ein Drittel der Anteile hält, schwelt seit vielen Jahren (die RNZ berichtete mehrfach). Während der Bauphase in Neidenstein gab es Protestaktionen der Gelita-Mitarbeiter in Eberbach, die um ihren Arbeitsplatz aufgrund des neuen angeblichen Konkurrenzunternehmens fürchteten. Aktive Abwerbung von Personal wurde Koepff ebenfalls nachgesagt.

Vorwürfe, die Koepff mehrmals öffentlich und auch jetzt dementierte. "Die Menge an Blattgelatine, die die Gelinova aus Auslastungsgründen herstellen möchte, weil sich der Markt für die anderen, innovativen Produkte noch in einem frühen Stadium befindet, sind sehr gering und keine Konkurrenz für Gelita." Die Gelita AG glaubt sogar, dass die vom Umweltministerium und Land bewilligten Fördergelder zu Unrecht an die Gelinova GmbH geflossen sind. Die Förderung wurde bewilligt, da das Auflösen der eingesetzten Rohstoffe in dem Neidensteiner Unternehmen wasser- und energiesparend betrieben werde. Für dieses Verfahren gab es Fördergelder aus dem Umweltinnovationsprogramm in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro. "Das wurde genau und gewissenhaft überprüft", sagt Peter Koepff, und es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass die Gelita AG Beschwerde gegen Gelinova eingereicht habe.

"Wir haben eine richtig gute Truppe hier, die gemeinsam mit uns etwas aufbauen möchte, und die dann später vergrößert wird", freuten sich die Unternehmer über das Engagement ihrer Mitarbeiter bei diesem "Start-up", das sozusagen das "Alterswerk" von Peter Koepff sei. Dessen Großvater Paul Robert Koepff hatte vor über 135 Jahren in Göppingen mit dem "Koepff’sche Gelatineunternehmen" den Startschuss für die Familiengeschichte rund um die Gelatine gegeben, die nun im Burgdorf ihre Fortsetzung finden soll.

5G-Frequenzen: Vorrang für den ländlichen Raum?

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Von Andreas Herholz, RNZ Berlin

Berlin. Die 5G-Frequenzen sind versteigert. Wie geht es nun weiter? Unsere Berliner Redaktion hat mit Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, gesprochen.

Herr Landsberg, am Ende des Auktionsmarathons steht ein Rekorderlös. Wohin mit den Milliarden?

Damit ist der Weg für die Einführung des neuen zukunftsweisenden Mobilfunkstandards 5G geebnet, der für Deutschland das Fundament einer digitalisierten, leistungsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft bilden wird. Jetzt muss der Mobilfunk im ländlichen Raum nachhaltig verbessert werden. Das Geld muss in den Ausbau der Infrastruktur fließen. Es geht darum, schnelles mobiles Internet rasch flächendeckend auszubauen. Die Versorgung des ländlichen Raums mit zeitgemäßer Telekommunikationsinfrastruktur darf zukünftig nicht mehr hinter den urbanen Räumen zurückbleiben.

Der Ausbau in den ländlichen Regionen muss jetzt also Vorrang haben?

Unbedingt. Von einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse kann beim Mobilfunk noch keine Rede sein. Wir brauchen auch im ländlichen Raum schnellen Mobilfunk. Dort erreicht die Versorgung häufig nicht annähernd das Niveau städtischer Bereiche. Deshalb ist die Entscheidung der Bundesnetzagentur, den Netzbetreibern aufzugeben, bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte mit Übertragungsraten von mindestens 100 Megabit pro Sekunde abzudecken, richtig gewesen. Jetzt kommt es darauf an, eine spürbare Verbesserung der Mobilfunkinfrastruktur auch außerhalb der Ballungsräume zu schaffen.

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