Quantcast
Channel: Wirtschaft Regional
Viewing all 4232 articles
Browse latest View live

Finanzskandal: Heidelberger Banker bestreitet vor Londoner Gericht Zins-Manipulation

$
0
0

London/Heidelberg. (kla) In London hat der Euribor-Prozess gegen den Heidelberger Banker Andreas Hauschild begonnen. Verantworten muss sich der 54-Jährige, ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Bank und in Heidelberg bekannt als ehemaliger Vorsitzender des Freundeskreises Wolfsbrunnen, für seine Rolle im Euribor-Skandal. Hauschild bestreitet Medienberichten zufolge jede Schuld.

Hauschild habe dem bereits verurteilten ehemaligen Star-Händler der Deutschen Bank, Christian Bittar, geholfen, den Referenzzins der Eurozone zu manipulieren, sagte Staatsanwalt James Waddington zum Prozessauftakt Mitte Juni, wie das "Handelsblatt" berichtet. Zwischen 2005 und 2009 soll er - gemeinsam mit Händlern der Deutschen Bank und anderer Großbanken wie der britischen Barclays und der französischen Société Généralea - versucht haben, den Euribor-Zins zum eigenen Vorteil zu beeinflussen.

Hauschild leitete in dieser Zeit in Frankfurt das Team, das für die Einreichung von Zinssätze der Deutschen Bank zuständig war. Laut Staatsanwaltschaft soll er seine Eingaben eng mit Bittar - dem Londoner Kopf der Verschwörung - abgestimmt haben. In seiner Aussage vor dem Southwark Crown Court erklärte Hauschild nun "Bloomberg" zufolge, er habe nicht gewusst, dass Bittar Referenzzinsen manipuliert habe. Die drei Barclays-Banker, die bei der "Verschwörung" dabei gewesen sein sollen und ebenfalls bereits wegen Manipulationen verurteilt wurden, kenne er nicht, erklärte Hauschild vor Gericht.

Sein Anwalt, Duncan Penny, malte dem Bericht zufolge ein Bild von einem Senior Manager, der ständig in der Luft und selten an seinem Schreibtisch gewesen sei. Hauschild selbst sagte demnach, er habe nie direkt Eingaben gemacht. Der Euribor-Satz wird anhand der Angaben von Großbanken berechnet und soll angeben, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Sie sind ein Maßstab für Geschäfte in Billionenhöhe - vom Baukredit bis zu Derivate-Geschäften.

Im November 2015 hatte die britische Staatsanwaltschaft elf Händler der Deutschen Bank, der Société Générale und von Barclays angeklagt. Vier Mitarbeiter der Deutschen Bank, unter ihnen Hauschild, waren nicht zum Prozess erschienen, sondern in Deutschland geblieben. Das Frankfurter Oberlandesgericht hatte die Vorwürfe gegen sie für verjährt erklärt. Dennoch wurde auf Betreiben Londons ein Europäischer Haftbefehl gegen die vier ausgestellt.

Im August 2018 wurde Hauschild auf einer Italien-Reise im Mailand festgenommen. Seitdem sitzt er in London in Gewahrsam, zunächst in Untersuchungshaft, später mit elektronischer Fußfessel unter Hausarrest.


Matratzen online kaufen: Probeliegen ist jetzt höchstrichterlich erlaubt

$
0
0

Von Anja Semmelroch

Karlsruhe. Kunden können eine übers Internet bestellte Matratze auch dann noch an den Händler zurückschicken, wenn sie die Schutzfolie schon entfernt haben. Sie verlieren deswegen nicht ihr Widerrufsrecht und müssen ihr Geld ohne Abstriche zurückbekommen. Das haben die obersten Zivilrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) gestern in Karlsruhe entschieden. (Az. VIII ZR 194/16)

Demnach gilt für Matratzen nichts anderes als für Kleidungsstücke: Sie können zwar beim Ausprobieren mit dem Körper in Kontakt kommen. Dem Händler sei es aber möglich, die Ware anschließend so zu reinigen oder zu desinfizieren, dass sie weiterverkauft werden kann, sagte die Vorsitzende Richterin Karin Milger bei der Verkündung.

Damit bekommt ein Mann, der 2014 eine Matratze bestellt und retourniert hatte, nach langem Rechtsstreit den Preis von mehr als 1000 Euro und die Speditionskosten zurück. Der Fall, der beim Amtsgericht Mainz seinen Ausgang nahm, hatte zwischenzeitlich sogar den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigt. Dessen Entscheidung setzten die BGH-Richter nun für die Rechtslage in Deutschland um.

Der Käufer hatte dem Händler nach einigen Tagen eine E-Mail geschrieben und ihn gebeten, die Matratze wieder abholen zu lassen. Als nichts passierte, beauftragte er selbst eine Spedition.

Grundsätzlich können Online-Kunden das Bestellte binnen 14 Tagen zurückschicken. Je nach Händler können allerdings Versandkosten entstehen. Eine Begründung braucht es nicht. Das Widerrufsrecht soll den Nachteil ausgleichen, der dadurch entsteht, dass man das Produkt nur auf dem Bildschirm gesehen hat. Zu Hause darf die Ware so geprüft und getestet werden, wie man das normalerweise im Geschäft tun könnte. Auf einer Matratze könnte man zum Beispiel probeliegen.

Vom Widerrufsrecht gibt es allerdings verschiedene Ausnahmen. Nicht retournieren können Kunden laut Gesetz unter anderem versiegelte Waren, "die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde" - wie Zahnbürsten oder Lippenstifte. Umstritten war, ob unter diese Formulierung auch Matratzen fallen.

Nein, entschied nun der BGH. Die Ausnahmeregelung sei nur für den Fall gedacht, dass die Ware "endgültig nicht mehr verkehrsfähig ist" oder es dem Händler "unverhältnismäßige Schwierigkeiten" bereiten würde, sie wieder verkehrsfähig zu machen. Das treffe auf eine Matratze ohne Schutzfolie nicht zu.

Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) erklärte, dass mit dem Urteil nun immerhin Rechtssicherheit bestehe. "Für viele Onlinehändler, die Matratzen verkaufen, ändert sich aber nicht viel, da sie bereits vorher den Verbrauchern aus Kulanz ein Rückgaberecht eingeräumt haben", sagte bevh-Syndikusrechtsanwältin Eva Rohde. Der Verband hätte sich allerdings gewünscht, dass bei der Gelegenheit mitgeklärt wird, was genau unter einem Siegel zu verstehen ist. Das werfe in der Praxis oft Fragen auf.

Die Richter hatten schon in der Verhandlung 2017 in Richtung Widerrufsrecht tendiert. Die Mehrkosten könne der Händler von vornherein einkalkulieren, hieß es damals. Weil die Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch auf eine beinahe wortgleiche EU-Richtlinie zurückgeht, hatte der Senat damals aber die Luxemburger Kollegen am EuGH eingeschaltet. Das Verfahren wurde ausgesetzt.

Seit Ende März liegt das EuGH-Urteil nun vor. Schon dort taucht der Vergleich mit der Kleidung auf: Für online bestellte Anziehsachen sehe das EU-Recht ausdrücklich vor, dass sie nach dem Anprobieren zurückgeschickt werden können. Die Richter hatten außerdem bedacht, dass auch Hotelgäste nacheinander im selben Bett schlafen. Es gebe auch einen Markt für gebrauchte Matratzen.

Die Luxemburger Richter erinnerten allerdings daran, dass es Kunden mit dem Anprobieren nicht übertreiben dürfen. Bei Schuhen wäre es beispielsweise nicht in Ordnung, damit schon mal einen Tag außerhalb der Wohnung herumzulaufen und sie mit verschrammter Sohle zurückzuschicken. In diesem Fall verliert der Kunde zwar nicht sein Widerrufsrecht, haftet aber für den Wertverlust.

So hatte der BGH beispielsweise 2016 entschieden, dass ein Kläger, der einen online bestellten Katalysator vor der Rückgabe in sein Auto eingebaut und eine Probefahrt gemacht hatte, grundsätzlich Wertersatz leisten muss. Ein Wasserbett, das der Käufer testweise befüllt hat, darf er dagegen nach einem Urteil von 2010 ohne Geldeinbußen zurückgeben. Das gehöre zum Ausprobieren der Ware.

Synthetische Kraftstoffe: So können mit E-Fuels alle Autos klimaneutral werden

$
0
0

Karlsruhe. (dpa-lsw) Die Flüssigkeit in der Flasche auf dem Tisch vor Tim Böltken ist glasklar wie Quellwasser. Sie riecht nach fast nichts. Und wenn sie verbrennt, gibt sie deutlich weniger Schadstoffe ab als fossile Kraftstoffe. Vor allem aber: Das klimaschädliche CO2, das beim Verbrennen frei wird, kam vorher aus der Luft. In der Flasche befindet sich ein besonderer Treibstoff: ein mit erneuerbarem Strom hergestelltes E-Fuel.

Tim Böltken baut mit seiner Firma Ineratec Anlagen zur Herstellung solcher synthetischer Kraftstoffe. Der 34-Jährige hat einen Job bei einer Tochter des Chemieriesen BASF aufgegeben, um mit zwei Kollegen im Schatten des Karlsruher Instituts für Technologie, kurz KIT, das Start-up zu gründen. Er glaubt fest an den Erfolg von E-Fuels: "Das sind gigantische Chancen, die sich hier bieten."

Der Begriff "Fuels" ist Englisch für Kraftstoffe, das "E" steht für erneuerbaren Strom. Denn solche Treibstoffe werden mit Hilfe von regenerativer Energie hergestellt. Sie unterscheiden sich in ihren chemischen Strukturen und Grundeigenschaften nicht von herkömmlichem Diesel oder Benzin aus Erdöl.

Und sie könnten in der Theorie helfen, die düstere CO2-Bilanz des Autoverkehrs aufzupolieren. Doch es gibt Bremser und Gegenargumente. Manche sehen sie eher als klimafreundlichere Alternative für Flugzeuge und Schiffe und weniger für Autos. Und sogar Umweltschützer äußern Vorbehalte.

Denn die Herstellung der E-Treibstoffe ist aufwendig. Zunächst wird aus Wasser Wasserstoff gewonnen. Dazu sind große Mengen elektrischen Stroms notwendig. Dann wird Kohlendioxid, also CO2, eingesetzt, um aus dem Wasserstoff ein Gas oder eine Flüssigkeit als Kraftstoff zu erzeugen. Im Idealfall stammt das CO2 aus der Luft, so dass ein Kreislauf entsteht und die Verbrennung im Motor klimaneutral ist. Power-To-X nennt man die Verfahren. Das "X" steht wahlweise für Gas oder flüssige Stoffe wie Diesel, Benzin, Kerosin.

Der gewonnene Kraftstoff kann in modernen Verbrennungsmotoren ohne Probleme eingesetzt werden. In der Theorie könnten damit also schon heute Autos mit herkömmlichen Diesel- und Benzinmotoren CO2-neutral fahren. Die Stoffe könnten die Bundesregierung bei ihrem Ziel, den CO2-Ausstoß im Verkehr bis 2030 um 40 bis 42 Prozent zu senken, einen Schritt weiterbringen - ohne neue Ladestationen und Elektromotoren.

In der Theorie: Denn Autofahrer haben praktisch keine Möglichkeit, E-Fuels in Deutschland zu tanken. Im großen Stil sind sie nicht verfügbar. Und in der politischen Diskussion um Klimaschutz und Dieselkrise spielen sie bislang eine untergeordnete Rolle.

Ökos wettern gegen E-Fuels: Umweltschützer und Grüne wettern sogar gegen künstliche Kraftstoffe. "E-Fuels sind derzeit unbezahlbar teuer und ineffizient", sagt etwa der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Ein wichtiges Argument der Gegner: der niedrige Wirkungsgrad. Anstatt Autos direkt mit Ökostrom anzutreiben, wird dieser erst eingesetzt, um Wasserstoff und dann den Treibstoff herzustellen.

Eine Studie der Denkfabrik Agora Verkehrswende aus dem Jahr 2017 rechnet vor: Für 100 Kilometer braucht ein batterieelektrisches Auto 15 Kilowattstunden Strom, ein mit Wasserstoff betriebenes Fahrzeug schon 31 Kilowattstunden und ein mit E-Fuels betriebener Diesel oder Benziner sogar 103 Kilowattstunden. Das macht die Kraftstoffe gleichzeitig teuer - vor allem in einem Land wie Deutschland, wo Strom ohnehin mehr kostet als vielerorts sonst.

Doch die Stimmen, die ungeachtet dessen für E-Fuels argumentieren, wurden in den vergangenen Jahren lauter. Inzwischen macht sich vor allem die Industrie - etwa Autobauer und Energiekonzerne - für die Entwicklung stark.

"Langfristig sind synthetische Brennstoffe zur weitergehenden Emissionsreduktion in allen Verkehren zwingend erforderlich", heißt es in einer vom Bundesverband der Industrie in Auftrag gegebenen Studie. Autobauer Daimler will bis 2039 dafür sorgen, dass seine weltweit verkauften Neuwagen CO2-neutral rollen. Ohne klimaneutrale Kraftstoffe, räumte der oberste Motorenentwickler des Stuttgarter Konzerns, Torsten Eder, bei einer Veranstaltung ein, ist das kaum möglich.

"Das Interesse an E-Fuels ist momentan gigantisch", freut sich Ineratec-Mitgründer Böltken. Potenzielle Kunden kommen aus der Energie- und Autobranche, aber auch aus dem Flugverkehr. "Die werden noch lange auf flüssige Energieträger angewiesen sein."

Die Idee zur E-Fuels-Produktion stammt von Böltkens Mentor, von Roland Dittmeyer, Professor am Karlsruher Institut für Technologie. Für den Verfahrenstechniker geht es ums große Ganze. "Wenn wir die gesetzten CO2-Reduktionsziele erreichen wollen, dann führt an Power-To-X kein Weg vorbei", sagt Dittmeyer.

2015 stritten Böltken und Dittmeyer im Büro des Professors darüber, ob die Nutzung des Treibhausgases CO2 eine Zukunft habe: Ob man den "bösen" Schädling so einsetzen könnte, dass er "gut" wird. «Ich habe nicht daran geglaubt», räumt Böltken ein. "Zwei Wochen später hatten wir mit Audi einen großen Kunden, der das verfolgen wollte." Sein Start-up wächst seitdem beständig.

Neue Anlagen und Projekte: Auch Ölkonzerne planen sogenannte Power-To-X-Anlagen. BP arbeitet mit dem Stromerzeuger Uniper an einem Projekt, an dessen Ende Power-To-X-Komplexe stehen sollen. Shell hat Ende Juni mit dem Bau einer Elektrolyse-Anlage im Rheinland begonnen. Lufthansa startete mit der Raffinerie Heide in Schleswig-Holstein ein Pilotprojekt für CO2-neutrales Kerosin. Und eine Allianz von Energieversorgern, Mineralölfirmen und dem Autobauer Audi hat im April ein Programm zur Markteinführung von E-Fuels erarbeitet - bis 2025.

Audi nahm schon vor einigen Jahren eine Power-To-Gas-Anlage im niedersächsischen Werlte in Betrieb. Dort wird mit Ökostrom synthetisches Methangas hergestellt. Wer sich von März 2017 bis Mai 2018 einen Audi mit Gasantrieb bestellte, erhielt das Versprechen, drei Jahre klimaneutral fahren zu können - mit Gas aus Werlte, aber auch aus Biogasanlagen. Aktuell gibt es das Angebot nicht mehr. VW-Chef Herbert Diess setzt derzeit voll auf Elektromobilität.

Ulrich Müller hatte noch Glück, er fährt seinen Audi mit E-Gas-Versprechen seit dem vergangenen Sommer. "Mal etwas anders machen als der Mainstream, nicht einfach weiterfahren mit Benzin oder Diesel." Das war Müllers Antrieb. Er recherchierte und stellte fest, dass Gas per se sparsamer und weniger schadstoffreich ist als Diesel oder Benzin - dann stieß er auf das E-Gas-Angebot von Audi.

Für Autofahrer auch eine Preisfrage: "Ich wollte damit meinen Beitrag leisten, um etwas Gutes für die Umwelt zu tun", sagt der IT-Unternehmer aus Oberkochen in Baden-Württemberg. Wenn er jetzt an einer beliebigen CNG-Tankstelle tankt, speist Audi klimaneutrales Gas ins Netz. Der Mechanismus funktioniert wie beim Ökostrom, wo nicht unbedingt der Strom aus der Steckdose grün ist, die Anbieter aber entsprechend einspeisen und einkaufen. Audi bot damit zeitweise eine Möglichkeit, sich zumindest indirekt mit E-Fuels fortzubewegen.

Zuviel hätte der alternative Kraftstoff aber nicht kosten dürfen, räumt Müller ein. 1,50 Euro bis 2 Euro pro Liter sei seine Schmerzgrenze. Ähnlich sehen es viele Autofahrer. Für etwa die Hälfte der Bürger sollten E-Fuels weniger als 1,50 Euro kosten, wie eine YouGov-Umfrage im Auftrag der dpa ergab. Eben nicht wirklich mehr, als in den vergangenen Monaten ein Liter Super-Benzin kostete.

Tatsächlich gehen die Meinungen auseinander, wie teuer E-Fuels wären, würden sie angeboten. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen geht die Bundesregierung von bis zu 4,50 Euro pro Liter Diesel-Äquivalent aus.

Der Mitgründer der Firma Sunfire, Nils Aldag, hält das für viel zu hoch gegriffen. Er ist mit seinem Unternehmen einer der E-Vorreiter: Schon 2010 setzten er und zwei Mitgründer alles auf Ersatzstoffe für Erdöl und Erdgas. Sein Argument: Synthetische Kraftstoffe müssten wie Elektroautos gefördert werden. Würde die Produktion etwa von der EEG-Umlage, die Strom in Deutschland teurer macht, befreit, könnte man den Stoff für etwas mehr als zwei Euro pro Liter anbieten. Weil Strom hier so viel kostet, baut Sunfire seine erste kommerzielle Anlage für synthetische Kraftstoffe in Norwegen.

Bosch-Chef ist Fan von E-Fuels: Dabei wäre eine komplette Umstellung nicht unbedingt notwendig. Volkmar Denner, Chef des weltgrößten Autozulieferers Bosch, plädiert für einen Mix: "Man kann E-Fuels dem jetzigen fossilen Kraftstoff beimischen und hat damit sofort einen CO2-senkenden Effekt im gesamten Bestand und nicht nur in den neu verkauften Fahrzeugen."

Seiner Ansicht nach ist es höchste Zeit zum Umsteuern. «E-Fuels benötigen großtechnische Anlagen, bei denen man entsprechend lange Vorlaufzeiten braucht, um die zu bauen», sagt der promovierte Physiker. «Daher sollte man jetzt beginnen, sonst wird man diese Kraftstoffe auch in zehn Jahren noch nicht haben.»

Doch in der deutschen Politik spielt Elektromobilität mit Batterien gerade die größere Rolle. Die Unionsfraktion sprach sich zwar jüngst in einem Positionspapier für einen Ausbau der Förderung von E-Fuels aus. Und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte im Mai nach einer Sitzung des Klimakabinetts an: "Wir gehen voll auf saubere Treibstoffe."

In der Regierung bewertet man die Chancen von E-Fuels dabei sehr vorsichtig. Das Wirtschaftsministerium fördert Projekte, Empfehlungen zur Markteinführung soll es 2022 geben. Für vielversprechend hält man E-Fuels vor allem dort, wo der Einsatz von Batterien nach heutigen Erkenntnissen kaum möglich ist: in Schiffen etwa und Flugzeugen. "Ihr Einsatz im Straßenverkehr und insbesondere für Pkw ist (...) nicht sinnvoll", heißt es auf Anfrage aus dem Umweltressort.

Damit liegt man auf einer Linie mit der Deutschen Umwelthilfe und Greenpeace. Zwar räumt Greenpeace in einer Studie einen entscheidenden Vorteil von E-Fuels ein: In Kraftstoff umgewandelt ließe sich erneuerbare Energie nicht nur speichern, sondern auch günstig transportieren - als Gas oder Flüssigkeit. Das könnte helfen, ein zentrales Problem der Energiewende zu lösen, nämlich dass der Anfall von Strom aus Sonne und Wind unregelmäßig ist.

Allerdings ist auch das noch Theorie. "Es gibt nicht annähernd so viel überschüssigen erneuerbaren Strom, um den Pkw-Verkehr auf E-Fuels umzustellen", sagt Benjamin Stephan von Greenpeace. Um 12 Millionen Tonnen CO2 durch E-Fuels einzusparen, bräuchte es zusätzlich so viel Strom, wie alle deutschen Windräder im vergangenen Jahr erzeugt hätten, rechnet er vor. Die Idee lenke ab von einer Verkehrswende ohne Verbrennungsmotor: "E-Fuels sind der falsche Weg, um Verkehr klimaneutral und effizient zu gestalten."

Autos und Tankstellen könnten wie jetzt bleiben: Vorreiter Nils Aldag wiederum wehrt sich dagegen, als Lebensretter für den Verbrennungsmotor zu gelten. "Aber 45 bis 65 Millionen Fahrzeuge werden nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden", sagt der Sunfire-Mitgründer. Die Wirtschaftlichkeit von E-Fuels messe sich auch am Ressourceneinsatz. Denn Autos, Tankstellen sowie die Verteilstruktur wie Tanklastwagen könnten mit E-Fuels weitergenutzt werden. Im Gegensatz zu batterieelektrischen Fahrzeugen, die neugebaut und für die Ladestationen errichtet werden müssen. "Unsere Kraftstoffe können in der Übergangsphase eingesetzt werden, um so viel CO2 einzusparen wie möglich", sagt er. "Die politische Diskussion reflektiert das derzeit nicht."

Ineratec-Gründer Böltken will nicht warten, bis die Politik sich entscheidet. Der 34-Jährige bemüht sich, seinen privaten CO2-Fußabdruck zu verkleinern: Er fliegt nur, wenn es sein muss, fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit, nutzt den wasserstoffbetriebenen Bus auf das Gelände des KIT in einem Waldgebiet im Norden Karlsruhes. Dort steht die Pilotanlage von Ineratec. Es ist keine Raffinerie, sondern ein Container, wie er zu Millionen auf den Weltmeeren herumschippert. Zehn von ihnen wurden bislang verkauft.

Schweiz als Vorreiter: Die Anlagen im Miniformat lassen sich im Grunde neben jedes Windrad und jede Photovoltaikanlage setzen. "Der Vorteil mit unserer dezentralen, modularen Technologie ist, dass man sofort anfangen kann", sagt Böltken. Die Idee wurde 2018 mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnet.

Tim Böltkens Hoffnung liegt derzeit außerhalb Deutschlands. Im Schweizer Laufenburg am Hochrhein soll für den Stromanbieter Energiedienst und Audi eine Anlage von Ineratec aufgebaut werden. "Die Schweizer sind politisch weiter damit, die Kraftstoffe anzuerkennen", sagt Böltken. Die Anlage soll jährlich rund 400.000 Liter Diesel und Wachse für die Industrie herstellen. Audi rechnet damit, erste Mengen 2020 in den Markt bringen zu können. Dann könnte ein Vorhaben von Tim Böltken wahr werden, nämlich: "Massen, wirklich auch Massen für den europäischen Markt herstellen."

Niedrigwasser: Scheuer will Transport auf dem Rhein krisenfester machen

$
0
0

Köln. (dpa) Ungehindert fahren die Güterschiffe den Rhein entlang, als Andreas Scheuer in Köln die MS Mainz betritt und wenig später an ihnen vorbei schippert. Der Wasserstand ist unauffällig, beste Bedingungen für Schiffe aller Art. Vor knapp einem Jahr sah das anders aus: Wegen der langen Dürre erreichte der Rhein Rekordtiefststände. Fähren stellten ihren Betrieb ein, Unternehmen konnten ihre Rohstoffe nicht mehr transportieren, Tankstellen warteten vergeblich auf Benzin. "Wir wollen mehr H2O und weniger CO2", sagt der CSU-Verkehrsminister, der an diesem Donnerstag im Juli als Botschafter der Binnenschifffahrt ins Rheinland gekommen ist.

"Die Situation von 2018 darf sich nicht wiederholen", warnt der Minister. Gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern hat er einen Acht-Punkte-Plan entwickelt, mit dem der Schiffstransport auf Deutschlands längstem Fluss besser für Krisen gerüstet sein soll.

Im Kern geht es dabei um bessere Wasserstandsprognosen, den schnelleren Ausbau der Fahrrinnen für Güterschiffe und die bessere Vorbereitung auf Notsituationen. Vom Schiffstransport will man nicht abweichen, denn "das Binnenschiff ist ein Transport-Gigant", so Scheuer. Ein einziges Schiff könne die Ladung von 150 Lastwagen transportieren.

Damit die Pegel-Vorhersagen präziser und langfristiger werden, sollen die Daten einzelner Dienste - wie dem Deutschen Wetterdienst oder der Bundesanstalt für Gewässerkunde - in einem gemeinsamen Informationssystem gebündelt werden. So sollen sich Trends bis zu sechs Monaten vorab erkennen lassen. Informationen zur aktuellen Wassertiefe sollen leichter zugänglich sein, indem sie in die elektronische Binnenschifffahrtskarte integriert und damit auch für die aktuelle Schiffsnavigation nutzbar gemacht werden.

Darüber hinaus sieht der Plan vor, vermehrt flachere Schiffstypen zu fördern, die auch bei Niedrigwasser noch fahren können, und weitere Lagerkapazitäten für Güter zu schaffen, um ausfallende Transporte besser abfedern zu können.

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 gibt bereits vor, an bestimmten Stellen des Rheins die Fahrrinnen für Schiffe zu vertiefen, damit diese auch bei Niedrigwasser noch passieren können. Scheuer will diesen Ausbau nun beschleunigen. Dafür will er auch ein Maßnahmengesetz erlassen, das unter bestimmten Voraussetzungen die sonst üblichen langwierigen Genehmigungsverfahren ersetzen soll. BASF sattelt derweil auf flachere Schiffe um. Mit seinem Krisenplan übt Scheuer den demonstrativen Schulterschluss mit der Wirtschaft am Rhein. Dem BASF-Vorstandsmitglied Michael Heinz hält Scheuer sogar das Mikrofon, als dieser sagt: "Der "8-Punkte-Plan" nimmt den Rhein in den Fokus. Das ist ein starkes Signal. Aber wir wissen: Damit ist es natürlich nicht getan: Alle Verkehrsträger - also Straße, Schiene, Binnenschiff und Seeverkehr - sind für eine solide wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes essenziell."

Mannheim: Fuchs Petrolub rechnet mit schlechterem Jahresergebnis

$
0
0

Mannheim. (dpa-lsw) Der Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub rechnet angesichts einer schwächelnden Weltwirtschaft mit einem schlechteren Jahresergebnis als zuletzt angepeilt. Nachdem der Betriebsgewinn im ersten Halbjahr 2019 vorläufigen Zahlen zufolge um ein Fünftel schwächer als im Vorjahr ausgefallen ist, glaubt der MDax-Konzern nicht mehr daran, die ohnehin schon bescheidenen Ziele zu erreichen. Das gab Fuchs Petrolub am Freitagabend in Mannheim bekannt.

"Aus heutiger Sicht ist die erwartete Belebung der Weltwirtschaft, insbesondere aber der Automobilindustrie, in der zweiten Jahreshälfte nicht absehbar", begründete das Unternehmen den pessimistischeren Ausblick auf das Gesamtjahr. "Dies betrifft mittlerweile alle für uns wichtigen Absatzmärkte."

Fuchs Petrolub hatte beim Umsatz im Gesamtjahr ein Plus von zwei bis vier Prozent angepeilt. Für das operative Ergebnis rechnete der Konzern mit einem Rückgang von fünf bis acht Prozent. Diese Zahlen traut das Unternehmen sich jetzt nicht mehr zu, nachdem der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) im ersten Jahr vorläufigen Zahlen zufolge um 20 Prozent und der Umsatz um ein Prozent auf 1,3 Milliarden Euro zurückging. Mit den endgültigen Halbjahreszahlen am 1. August will Fuchs eine neue Prognose abgeben.

Wertvollste Unternehmen: Deutsche Firmen fallen zurück

$
0
0

Frankfurt. (dpa) Nur noch zwei deutsche Konzerne zählen einer Studie zufolge zu den 100 wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt. Vertreten im Club der Top 100 waren im ersten Halbjahr 2019 nur noch der Walldorfer Softwarehersteller SAP (Rang 52) und der Versicherungskonzern Allianz (98), wie aus einer gestern veröffentlichten Untersuchung des Beratungsunternehmens EY hervorgeht. Siemens rutschte auf Platz 107 ab. Ende 2017 zählten den Angaben zufolge noch sechs deutsche Unternehmen zu den 100 Börsenschwergewichten. Dominiert wird das Ranking weiterhin von Microsoft, Amazon, Apple und Co.

Auf der Liste der Top Zehn finden sich acht US-Konzerne wieder - die meisten von ihnen kommen aus der Technologiebranche. Lediglich die Plätze sieben und acht werden nicht von US-Unternehmen belegt: Dort stehen die beiden chinesischen Konzerne Alibaba und Tencent - ebenfalls Technologiekonzerne.

Spitzenreiter war den Angaben zufolge Softwaregigant Microsoft, mit einem Börsenwert von sagenhaften 1,03 Billion Dollar (Stichtag: 27. Juni), gefolgt von Amazon mit 938 Milliarden Dollar und dem iPhone-Hersteller Apple (919 Mrd.). Die Google-Mutter Alphabet (747 Mrd.) und Facebook (541 Mrd.) belegen die Plätze vier und fünf. Zum Vergleich: SAP kam demnach auf einen Börsenwert von umgerechnet rund 161 Milliarden Dollar.

"Mit digitalen Geschäftsmodellen haben vor allem US-amerikanische Unternehmen den Nerv der Zeit getroffen", erläuterte Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY-Deutschland. Mit ihren Dienstleistungen und Produkten revolutionierten sie ganze Branchen und erzielten enorme Gewinne. "Die klassischen Industriekonzerne befinden sich dagegen mitten im Umbruch und sehen sich plötzlich ganz neuen Konkurrenten gegenüber." Vor allem in Europa seien viele noch auf der Suche nach einem überzeugenden Zukunftsmodell.

Ludwigshafen: BASF dämpft Erwartungen für 2019

$
0
0

Ludwigshafen. (dpa-lrs) Der Chemiekonzern BASF wird wegen der sich eintrübenden Weltkonjunktur und anhaltender Handelskonflikte pessimistischer für das laufende Geschäftsjahr. Der Umsatz werde 2019 im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgehen, teilte das Unternehmen am Montagabend in Ludwigshafen mit.

Bisher war ein Plus von ein bis fünf Prozent angepeilt worden. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) sowie vor Sondereinflüssen wird demnach um bis zu 30 Prozent unter Vorjahresniveau liegen. Eigentlich war ein Anstieg zwischen einem und zehn Prozent erwartet worden. Der Aktienkurs sackte auf der Handelsplattform Tradegate um mehr als fünf Prozent ab.

Die deutlich schwächer als erwartete globale Industrieproduktion belaste die Mengen- und Margenentwicklung, hieß es zur Erklärung. BASF verwies insbesondere auf die besonders stark ausgefallenen Wachstumseinbußen in der globalen Automobilindustrie, insbesondere in China. Zusätzlich habe die schwache Entwicklung des Agrarsektors in Nordamerika wegen schwieriger Witterungsbedingungen belastet. Auch hätten sich die Konflikte zwischen den USA und ihren Handelspartnern - insbesondere China - anders als angenommen bislang nicht entschärft. Insgesamt bleibe die Unsicherheit hoch.

So lägen die vorläufigen Zahlen zum zweiten Quartal «deutlich» unter den Erwartungen von BASF zu Jahresanfang. Der Umsatz sank demnach um 4 Prozent auf 15,2 Milliarden Euro. Das Ebit vor Sondereinflüssen sackte um 47 Prozent auf 1,0 Milliarden Euro ab. Die endgültigen Zahlen will BASF am 25. Juli vorstellen.

Am Ende Juni angekündigten Sparprogramm hält der Konzern fest. So sollen bis Ende 2021 weltweit 6000 Stellen wegfallen. Das sind knapp fünf Prozent der 122 000 Arbeitsplätze, die BASF global Ende 2018 ausgewiesen hatte. Ungefähr die Hälfte der Stellen soll in Deutschland eingespart werden, der überwiegende Teil am Heimatstandort Ludwigshafen, hatte ein Sprecher gesagt.

BASF ist kein Einzelfall, die deutsche Chemie- und Pharmabranche insgesamt leidet immer stärker unter Handelskonflikten und der eingetrübten Weltkonjunktur. Nach einem schwachen ersten Halbjahr rechne die Branche nur mit einer moderaten Belebung im Jahresverlauf, wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) erst vor wenigen Tagen mitgeteilt hatte. «Die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung bleiben hoch», sagte Präsident Hans Van Bylen mit Blick auf den Handelsstreit zwischen den USA und China, den Brexit und den Iran-Konflikt.

Für 2019 hatte der VCI deshalb erneut seine Prognose gesenkt: Er rechnet nun mit einem Umsatzrückgang um 3 Prozent auf 197 Milliarden Euro. Zuletzt war er von einem Minus von 2,5 Prozent ausgegangen. Die Produktion in der drittgrößten deutschen Industriebranche soll um 4 Prozent sinken und damit ebenfalls stärker als bisher kalkuliert.

«Die Weltwirtschaft entwickelt sich schwächer als zu Jahresanfang erwartet», sagte Van Bylen. Die Hoffnung liege nun auf einer Erholung bei den Chemiekunden - vor allem in der Autobranche, die unter der Dieselkrise, schwachen Absätzen und hohen Kosten für die E-Mobilität leidet.

Als Zulieferer für viele weitere Branchen wie auch die Bau- und Kosmetikindustrie bekommt die Chemiebranche schlechtere Geschäfte bei ihren Abnehmern früh zu spüren und gilt als Konjunkturindikator.

Arztbesuch im Internet: Wenn die Diagnosen per Video, App und Telefon kommen

$
0
0

Von Alexander Sturm und Tanja Vedder

Bad Homburg. Große private Krankenhausbetreiber in Deutschland tüfteln am digitalen Arztbesuch. Seitdem die gesetzlichen Hürden für Telemedizin gefallen sind, drängen Klinikkonzerne in den Markt und treiben Diagnosen per Video, App oder Telefon voran.

Fresenius, Rhön und Asklepios wetteifern um digitale Plattformen, die manchen Besuch in der Arztpraxis überflüssig machen und Patienten viel Zeit sparen dürften. Das könnte gegen den Ärztemangel auf dem Land helfen - und den Firmen neue Umsatzquellen bringen.

So kündigte Deutschlands größter Krankenhausbetreiber Fresenius eine neue Telemedizin-Plattform an. Der Dax-Konzern habe angefangen, hierzulande einen Beratungsdienst über die Gemeinschaftsfirma Helios Dialogue einzuführen, sagte Fresenius-Vorstand Francesco De Meo.

Patienten könnten sich künftig über eine digitale Plattform einwählen und auch per Video Kontakt mit einem Arzthelfer aufnehmen, der zunächst gesundheitliche Beschwerden abfrage. Anschließend werde ihnen eine Video-Sprechstunde, der Gang in die Notfallambulanz oder zu einem nahen Facharzt empfohlen.

"Es funktioniert wie ein digitales Wartezimmer, aus dem wir nach einem international anerkannten Verfahren den weiteren medizinischen Weg weisen", sagte De Meo. Bis Anfang 2020 soll der Service für Patienten freigeschaltet sein. Therapien über die Plattform seien nicht vorgesehen - anders als etwa bei Schlaganfällen, wo Fresenius seit Jahren Video-Schalten bei Behandlungen einsetzt.

Fresenius erhofft sich von Helios Dialogue, das mit dem kanadischen Start-up Dialogue entwickelt wird, effizientere Prozesse, mehr Service und gezieltere Patientenströme. Das soll auch die eigenen 86 Kliniken und 126 medizinischen Versorgungszentren in Deutschland besser auslasten. "Wenn die Leute zum Arzt kommen, hat er schon die Einschätzung aus der vorherigen Abfrage", sagte De Meo, der bei Fresenius das Klinik-Geschäft leitet. "Und Patienten mit Beschwerden müssen nicht lange beim Facharzt im Wartezimmer sitzen, bis sie eine Diagnose bekommen oder womöglich zum nächsten Arzt geschickt werden."

Der Deutsche Ärztetag hatte 2018 den Weg für Telemedizin geebnet, indem er das Fernbehandlungsverbot lockerte. Zuvor durften Ärzte ihnen unbekannte Patienten nur persönlich beraten. Experten erhoffen sich viel von Telemedizin - gerade wegen des Ärztemangels auf dem Land. Beratung aus der Ferne könnte Berufstätigen mit wenig Zeit entgegenkommen und alten Menschen helfen, die schwer zum Arzt kommen.

Bei vielen Verbrauchern stößt die Idee auf Zustimmung: 87 Prozent unterstützen Online-Diagnosen zumindest in leichten Krankheitsfällen, heißt es in einer aktuellen Umfrage der Beratungsgesellschaft BCG unter 1000 Versicherten. Nach Einschätzung von Medizinern lässt sich demnach jeder fünfte Arztbesuch durch digitale Beratung ersetzten.

Fresenius ist mit seinem Vorstoß nicht allein. Rhön-Klinikum will in der zweiten Jahreshälfte eine Gemeinschaftsfirma mit dem Schweizer Anbieter Medgate an den Start bringen und Marktführer in Deutschland werden. Rhön hält sich Kooperationen mit dritten Ärzten offen. Firmen könnten ferner für den Dienst bezahlen, um Mitarbeitern betriebsärztliche Dienste zu bieten. In Kanada ist das verbreitet.

In Deutschland indes steht Telemedizin noch am Anfang, auch wegen der Vergütungsregeln für Ärzte: Bislang können sie eine Fernbehandlung ohne direkten Kontakt nur bei Privatpatienten problemlos abrechnen. Kassenpatienten sind weitgehend außen vor. Gesundheitsminister Jens Spahn will die Honorarregeln angleichen. Anbieter erhoffen sich ein lukratives Geschäft: In Deutschland lasse sich ein zweistelliger Milliarden-Umsatz digital bewegen, heißt es in der Branche.

"Die Bereitschaft von Patienten für Ferndiagnosen steigt", sagt Thilo Kaltenbach, Gesundheitsexperte bei der Beratungsgesellschaft Roland Berger. "Die Technik für virtuelle Diagnosen in Praxen und Kliniken entwickelt sich schnell." Versicherungen und spezialisierte Telemedizin-Firmen drängten ebenfalls in den umkämpften Markt.


Mannheim: Cropenergies profitiert von Erholung der Ethanolpreise

$
0
0

Mannheim. (dpa) Die Südzucker-Tochter Cropenergies hat im ersten Geschäftsquartal von einer Erholung der Ethanolpreise profitiert und unter dem Strich deutlich mehr verdient.

Der Überschuss stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 8 Millionen Euro auf 10,6 Millionen Euro, wie das Unternehmen am Mittwoch in Mannheim mitteilte. Der Preisanstieg beim Ethanol wirkte sich positiv aus. Die Erlöse stiegen von März bis Ende Mai um 5,3 Prozent auf 203 Millionen Euro.

Cropenergies verwies jedoch darauf, dass die Ethanolproduktion um 19 Prozent zurückgefahren worden sei, da unter anderem Instandhaltungen die Kapazitätsauslastung verringert habe.

Im vergangenen Geschäftsjahr 2018/19 (bis Ende Februar) hatte der Verfall der Ethanolpreise Cropenergies belastet und zu einem Gewinneinbruch geführt. Gleich zweimal musste die Prognose gesenkt werden. Daraufhin hatte der Konzern aus Mannheim die Dividende gekürzt.

EuGH-Urteil: Amazon muss nicht per Telefon erreichbar sein

$
0
0

Luxemburg. (dpa) Online-Händler wie der US-Riese Amazon müssen für Verbraucher nicht unbedingt per Telefon erreichbar sein. Das urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch in Luxemburg. Die Unternehmen müssen allerdings ein Kommunikationsmittel bereitstellen, über das sie schnell kontaktierbar sind und effizient kommunizieren können (Rechtssache C-649/17). Die bisherige deutsche Regelung ist damit nicht mit EU-Recht vereinbar.

Hintergrund des Falls war eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands gegen Amazon in Deutschland. Die Verbraucherschützer bemängelten, dass der Händler nicht ausreichend über Erreichbarkeiten per Telefon informiert habe und Kunden sich erst durch mehrere Seiten klicken mussten. Eine Fax-Nummer werde gar nicht angegeben.

Nach deutschem Recht sind Online-Händler verpflichtet, Verbrauchern stets eine Telefonnummer anzugeben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Fall nach Luxemburg verwiesen.

Die obersten Richter in der Europäischen Union befanden nun, dass die deutsche Regelung gegen die maßgebliche EU-Richtlinie verstoße. Demnach seien Unternehmen nicht verpflichtet, einen Telefonanschluss oder ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit Verbraucher mit ihnen in Kontakt treten könnten. Nur wenn Firmen bereits über Telefon- und Faxnummern für Kunden verfügten, müssten sie diese mitzuteilen.

Die Unternehmen könnten auch andere Wege nutzen, um für Kunden erreichbar zu sein, erklärten die Luxemburger Richter weiter. Dazu zählten etwa elektronische Kontaktformulare, Internet-Chats oder ein Rückrufsystem. Die Informationen dazu müssten aber klar und verständlich zugänglich sein.

Der BGH muss nun noch entscheiden, ob die konkret zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel für die schnelle Kontaktaufnahme von Kunden mit Amazon ausreichen und ob die Informationen dazu leicht genug zugänglich sind.

Südzucker: Zuckerpreise fallen - Gewinn bricht ein

$
0
0

Mannheim. (dpa) Europas größter Zuckerproduzent Südzucker hat den Verfall bei den Zuckerpreisen erneut zu spüren bekommen. Im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres brach das operative Ergebnis um fast 40 Prozent auf 47 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr ein, wie der SDax-Konzern am Donnerstag in Mannheim mitteilte. Auch beim Umsatz verzeichnete Südzucker Einbußen. Die Erlöse gingen um knapp 3,5 Prozent auf 1,68 Milliarden Euro zurück.

Die Prognose für das laufende Geschäftsjahr bestätigte Südzucker. So erwartet der Konzern weiter einen Umsatz von 6,7 bis 7 Milliarden Euro (Vorjahr 6,8). Das operative Ergebnis soll sich nach wie vor in einer Bandbreite von 0 bis 100 Millionen Euro (Vorjahr 27) bewegen.

Die Kurpfälzer leiden unter dem Preisverfall für Zucker aufgrund des Wegfalls der EU-Marktordnung. Steigender Wettbewerb und sinkende Zuckerpreise setzen dem Unternehmen zu. Infolge dessen hatte Südzucker ein Sparprogramm für die Sparte aufgelegt, das unter anderem die Schließung von mehreren Werken vorsieht. In den kommenden Jahren sollen 700 Arbeitsplätze abgebaut werden. Im zurückliegenden Geschäftsjahr war bei Südzucker der Umsatz bereits zurückgegangen und das operative Ergebnis eingebrochen.

Südzucker: Die Zuckerbranche ist in der Krise

$
0
0

Von Barbara Klauß

Mannheim. Von einer "beispiellosen Krise" ist die Rede, von Milliarden-Verlusten und gefährdeten Arbeitsplätzen: Die Zuckerbranche ist in Aufruhr. Sowohl die Industrie als auch die Zuckerrübenbauern stehen unter Druck. So waren etwa bei Europas größtem Zuckerproduzenten, dem Mannheimer Südzucker-Konzern, im vergangenen Jahr Umsatz und operatives Ergebnis eingebrochen.

Und auch für das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres meldete der S-Dax-Konzern am Mittwoch deutliche Einbußen. Mehrere Werke sollen geschlossen, 700 Arbeitsplätze abgebaut werden. Konkurrent Nordzucker hat das abgelaufene Geschäftsjahr sogar mit einem Minus vom 58 Millionen Euro abgeschlossen.

"Der Zuckersektor in Deutschland steckt in einer tiefen Krise", erklärte gestern die "Wirtschaftliche Vereinigung Zucker", in der Verbände der rund 27.000 Rübenbauern, die vier Zucker erzeugenden Unternehmen und Firmen des Zuckerhandels zusammengeschlossen sind. Die Gründe aus ihrer Sicht: eine "politisch gemachte Wettbewerbsverzerrung", künstlicher Preisdruck durch subventionierten Zucker aus Drittstaaten und eine ungleiche Praxis bei der Zulassung von Insektiziden innerhalb der EU. "Der EU-Kommission fehlt offensichtlich der echte politische Wille, zur Lösung der Zuckerkrise beizutragen", teilte der Verband mit.

Hintergrund ist das Ende der EU-Zuckermarktordnung im Oktober 2017, die den Markt kräftig durcheinandergewirbelt hat. 50 Jahre lang hatte die Verordnung Mindestpreise für Zuckerrüben und Produktionsquoten vorgeschrieben. Nun sind Exporte unbegrenzt möglich und Zuckerhersteller einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt. Der Weltmarkt schlägt härter durch.

Was der Industrie zu schaffen macht, war aus Sicht der Kunden längst überfällig. Zumal mancher Kritiker die Quote ohnehin als Einschränkung des Wettbewerbs sah. Manch einer sprach sogar von einem "planwirtschaftlichen" System. "Wir waren immer gegen eine Abschottung des europäischen Zuckermarkts", erklärte der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie, Torben Erbrath, im vergangenen Jahr. Die künstliche Mengenverknappung durch die starre Zuckerquote habe in der Vergangenheit zu extrem hohen Preisen und Zucker-Engpässen geführt.

Gewinner sind nun die Verbraucher: Mussten sie vor drei Jahren für ein Kilo Haushaltszucker noch 85 Cent ausgeben, sind es heute manchmal nicht einmal mehr 60 Cent. In der EU liegt der Zuckerpreis mit 314 Euro pro Tonne auf einem Allzeittief, Mitte 2017 kratzte er noch an der 500-Euro-Marke.

Nun aber tritt zu alledem auch noch ein neuer Konkurrent auf: der südamerikanische Staatenbund Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay). Die EU und Mercosur wollen gemeinsam die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Gerade haben sie die Verhandlungen abgeschlossen. Wegen des großen Produktionsvolumens in der Freihandelszone könnten Verbraucher von Kostenvorteile etwa bei Rindfleisch, Geflügel und Zucker profitieren.

Auch die deutsche Wirtschaft verspricht sich davon eine Menge. Südzucker aber - als weltweit größter Zuckerproduzent - befürchtet Nachteile: "Wir gehen davon aus, dass größere Mengen aus dieser Region - im Volumen einer deutschen Zuckerfabrik - auf den Markt kommen und die heimische Produktion verdrängen", sagt ein Unternehmenssprecher.

Dabei ist es ohnehin schon ungemütlich für die Mannheimer: Allein im Kerngeschäft, dem Segment Zucker, erwartet Südzucker für das laufende Geschäftsjahr einen Verlust in Höhe von 200 bis 300 Millionen Euro. Dem Unternehmen und den Beschäftigten stehen harte Zeiten bevor: Fünf seiner 29 Werke - in Polen, Frankreich sowie in Brottewitz und Warburg in Deutschland - will der Konzern schließen, um 700.000 Tonnen Produktionskapazitäten Zucker aus dem europäischen Markt zu nehmen. 700 Stellen sollen in den kommenden Jahren abgebaut werden, 300 davon in der Verwaltung. Rund 20.150 Menschen beschäftigt Südzucker derzeit weltweit.

Dass das Ergebnis nicht noch weiter zurückgegangen ist, hat Südzucker vor allem der Strategie zu verdanken, nicht nur aufs Kerngeschäft Zucker zu setzen. So legte das Segment "Spezialitäten" (hierzu gehört der Tiefkühlpizza-Produzent "Freiberger") erneut zu und übertraf mit einem Umsatz von 602 Millionen Euro erstmals das Segment Zucker. Auch die Konzerntochter CropEnergies startete gut ins Jahr und steigerte Umsatz und Gewinn im ersten Quartal, wie der Ethanol-Hersteller am Mittwoch bekannt gegeben hatte.

Die Prognose für das laufende Geschäftsjahr bestätigte Südzucker. So erwartet der Konzern weiter einen Umsatz von 6,7 bis 7 Milliarden Euro (Vorjahr: 6,8 Milliarden Euro). Das operative Ergebnis soll sich nach wie vor in einer Bandbreite von 0 bis 100 Millionen Euro (Vorjahr: 27 Millionen Euro) bewegen.

Mobilfunkfrequenzen: Das erste 5G-Netz ist freigeschaltet

$
0
0

Von Wolf von Dewitz

Düsseldorf. (dpa) Als erstes deutsches Telekommunikationsunternehmen hat Vodafone ein kommerzielles 5G-Netz gestartet. Die Firma aktivierte am Dienstagmorgen 25 Antennenstandorte in Düsseldorf, Köln, Dortmund und anderen Städten und Gemeinden. Das 5G-Netz von Vodafone ist noch sehr beschränkt, bundesweit hat das Unternehmen insgesamt rund 25.000 Mobilfunkstationen mit allen verschiedenen Standards, darunter 4G (LTE). Im August soll die Zahl der Stationen mit 5G auf mehr als 50 klettern. "Wir starten als Erste in Deutschland 5G", freute sich Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter.

Der Technikchef des Unternehmens, Gerhard Mack, sagte, dass man Zeit brauche für eine umfassende Abdeckung: "Dieses Jahr wollen wir noch üben und Erfahrungen sammeln." 2020 nehme der Ausbau dann Fahrt auf, mehrere tausend 5G-Stationen sollen gebaut werden. Ende nächsten Jahres soll etwa jeder achte Bundesbürger in Reichweite einer 5G-Antenne wohnen, Ende 2021 jeder vierte. Bei dem Ausbau setzt die Branche auf die Aufrüstung bestehender 4G/LTE-Stationen. "Wir werden nicht signifikant mehr Masten sehen als heute", sagte Mack. "Ich habe keine Angst vor Antennenwäldern."

Über die noch spärlich vorhandenen 5G-Antennen können Privatkunden nach Firmenangaben ab heute den ultraschnellen Mobilfunkstandard nutzen, hierfür können sie 5G zu bestehenden Vodafone-Verträgen hinzubuchen. Dies kostet in den üblichen Verträgen fünf Euro zusätzlich. Allerdings braucht man dazu neue Smartphones, die 5G-kompatibel sind - Vodafone bietet hierfür Modelle von Huawei und Samsung an. Das Huawei wäre sofort nutzbar für den neuen Mobilfunkstandard, das Samsung erst ab Mitte August.

Vodafone-Konkurrenten sind noch nicht so weit. Die Deutsche Telekom aktiviert ihr 5G-Netz nach eigenen Angaben erst "in den nächsten Wochen", Telefónica und der Neueinsteiger als Netzbetreiber, United Internet, halten sich zu ihren Start-Zeitpunkten noch bedeckt. Die Deutsche Telekom hatte bereits Anfang Juli ihre 5G-Tarife vorgestellt - sie setzt im Gegensatz zu Vodafone nicht auf eine monatlich kündbare Zubuch-Option, sondern auf einen 24-Monatsvertrag.

Für Privatkunden ist die 5. Mobilfunkgeneration noch nicht sehr wichtig, die allermeisten mobilen Anwendungen sind mit dem bisher schnellsten Standard, 4G oder LTE genannt, gut nutzbar. Für Virtuelle Realität (VR) oder datenaufwendige Online-Games könnte 5G zukünftig aber nötig sein. Ein 5G-Standort ist bei der Kölner Messe - bei der Gamescom im August könnten dort Besucher dank 5G besseres Netz haben als bisher - vorausgesetzt, sie sind Vodafone-Kunde und entscheiden sich für die Zubuch-Option. In Zukunft werde der Technologiestandard für den Endverbraucher an Relevanz gewinnen, sagte Mack: "Über die Zeit werden wir ganz viele Anwendungen sehen, die nur auf 5G funktionieren."

Der 5G-Start von Vodafone hängt zumindest indirekt zusammen mit der Mitte Juni beendeten Auktion von deutschen Mobilfunkfrequenzen - hierbei hatte Vodafone 130 Megahertz Spektrum für 1,88 Milliarden Euro ersteigert, davon sind 90 Megahertz in dem für das jetzige 5G-Netz relevanten 3,4 bis 3,7 Gigahertz-Band. Diese Blöcke nutzt Vodafone für das nun freigeschaltete Netz aber noch nicht. Grund: Die Zuteilung durch die Bundesnetzagentur ist noch nicht erfolgt.

Verzweifelt gesucht: Putzhilfen sind kaum noch zu bekommen

$
0
0

Von Elke Richter

München/Köln. Katharina Seidenstücker hat es aufgegeben. "Ich habe monatelang eine Putzfrau gesucht, die sich anmelden lässt. Aber das kannst du vergessen", erzählt die Mutter von drei kleinen Kindern frustriert. Natürlich hat sie irgendwann auch darüber nachgedacht, eine Reinigungskraft schwarz zu beschäftigen. "Aber das widerspricht unserem Wertekonzept."

Davon abgesehen ist im Raum München selbst ohne Anmeldung und bei überdurchschnittlicher Bezahlung derzeit kaum noch eine Putzhilfe zu finden - der Markt ist bundesweit ziemlich leergefegt. So mancher Suchende lässt sich deshalb trotz eines unguten Gefühls auf unlautere Abrechnungsmodelle ein, um überhaupt jemanden zu bekommen.

Die Gefahr, erwischt zu werden, liegt dabei "im Promillebereich", wie Experten wissen. Denn zum einen ist der Schutz der Privatsphäre ein sehr hochrangiges Rechtsgut, sodass die Kontrolleure nicht einfach an der Wohnungstüre Einlass begehren können. Zum anderen fehlen dem zuständigen Zoll schlicht die Kapazitäten. Allein das Hauptzollamt München erhält pro Jahr mehrere tausend anonyme Anzeigen à la "Mein Nachbar ist arbeitslos, aber jeden Tag von 7 bis 17 Uhr außer Haus". Damit die Beamten ausrücken, müsste der Hinweisgeber deshalb schon genau sagen, wo und wann sich der Betreffende etwas bar auf die Hand dazuverdiene, berichtet Zoll-Sprecher Thomas Meister.

Gerade bei den Reinigungskräften werde viel schwarz gearbeitet. "Uns ist auch bewusst, dass wir längst nicht jeden erwischen, das ist ganz klar", räumt Meister ein. Dominik Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) kann die Größenordnung der Schwarzarbeit bei Putzleuten im privaten Bereich beziffern: 88,5 Prozent der deutschen Haushalte mit einer Reinigungskraft lassen ihr Klo illegal schrubben. Wie Enste in einer aktuellen Studie ermittelt hat, die der Deutschen Presse-Agentur exklusiv vorliegt, beschäftigten im Jahr 2017 mehr als 3,3 Millionen Haushalte gelegentlich oder regelmäßig eine Hilfe - knapp 2,9 Millionen davon schwarz.

Dabei hat der Gesetzgeber versucht, die Putzfrauen - ungefähr 90 Prozent der angemeldeten Reinigungskräfte im Privathaushalt sind weiblich - durch die steuerliche Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen und eine einfache Anmeldung bei der Minijobzentrale aus der Schattenwirtschaft herauszuholen. Doch was die meisten Arbeitnehmer für sich selbst völlig selbstverständlich in Anspruch nehmen - etwa Rentenbeiträge, bezahlten Urlaub sowie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - gestehen sie ihrer gern gönnerhaft genannten "Perle" oftmals ungern zu.

Peter K. aus München ist da nur einer von vielen. Bis vor zwei Jahren hat er eine Haushaltshilfe schwarz beschäftigt. "Anmelden war für mich gar kein Thema." Das Bewusstsein, dass man selbst ein ganz normaler Arbeitgeber und die eigene Wohnung ein ganz normaler Arbeitsplatz ist, ist in Deutschland kaum verankert. Traditionell werden Putzfrauen als eine Art "Nachbarschaftshilfe" gesehen - auch wenn Schwarzarbeit juristisch alles andere als ein Kavaliersdelikt ist und nicht nur Geld-, sondern auch Haftstrafen drohen.

Meist fliegt die illegale Beschäftigung übrigens auf, weil die Putzkraft etwa beim Fensterputzen einen Unfall erleidet - oder weil sich Paare trennen und der eine den anderen verpfeift. Auch so mancher Nachbar hat dem Zoll schon einen heißen Tipp gegeben.

Doch es sind bei weitem nicht nur unwillige Auftraggeber, die ihre Raumpfleger nicht anmelden wollen. Peter K. zum Beispiel glaubt nicht, dass seine schwarz beschäftigte Putzfrau hätte angemeldet werden wollen, "denn die hatte das mit der Nachbarin auch schon so gemacht".

Tatsächlich sind es oft auch die Haushaltshilfen selbst, die das Geld lieber ohne Abzüge einstreichen. "Die haben vielfach keinen Anreiz, da sie bei Krankenversicherung ihres Mannes mitversichert sind und eh nicht über die Mindesteinzahlung bei der Rente hinauskommen", erläutert Enste. Seiner Recherche nach sei es deshalb vielerorts "nahezu unmöglich", eine Putzkraft zu finden, die sich anmelden lasse.

Dabei ist die Nachfrage da, und sie nimmt zu. Allein schon deshalb, weil die Erwerbstätigenquote nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit dem Jahr 2005 von 65 Prozent auf rund 76 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen ist. Das heißt, mehr Menschen arbeiten, vor allem auch mehr Frauen. Und da einer aktuellen Untersuchung zufolge noch immer bei acht von zehn Paaren die Frau alleine die Wohnung putzt, wären viele für eine Unterstützung dankbar. Auch, wenn sie dafür schwarz bis zu 16, angemeldet gar rund 20 Euro pro Stunde zahlen müssen.

Docmorris: Gleich zwei Schlappen vor Gericht

$
0
0

Düsseldorf. (dpa) Das Apothekenunternehmen Docmorris ist mit dem bundesweit ersten Apothekenautomaten erneut vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe gescheitert. Das OLG wies nach Angaben einer Sprecherin vom Mittwoch die Berufung des Unternehmens gegen ein Urteil des Landgerichts Mosbach zurück. Geklagt hatte der Landesapothekerverband (LAV) Baden-Württemberg.

Bereits Ende Mai hatte das OLG in ähnlichen Verfahren entschieden, dass Docmorris seinen Apothekenautomaten in Hüffenhardt aus Wettbewerbsgründen nicht betreiben darf. Die europaweit tätige Versandapotheke aus den Niederlanden hatte vor zwei Jahren ein solches Gerät in Betrieb genommen. Das Projekt wurde nach einigen Wochen gerichtlich gestoppt.

Bei der "pharmazeutischen Videoberatung mit angegliederter Arzneimittelabgabe" konnten Kunden per Video Kontakt mit einem Apotheker in den Niederlanden aufnehmen und Medikamente aus einem Automaten erhalten.

LAV-Präsident Fritz Becker wertete das Urteil als Sieg des Patienten- und Verbraucherschutzes über das Profitstreben von Versandhändlern. Ein Docmorris-Sprecher wies allerdings auf ein separates, wichtigeres verwaltungsrechtliches Verfahren in Karlsruhe hin, bei dem eine Entscheidung noch aussteht.

Es war kein guter Tag für den Online-Händler: Ebenfalls am Mittwoch erging eine weitere Entscheidung: 14 Millionen Euro Schadenersatz wollte der Online-Händler Docmorris von alteingesessenen Apotheken - und hat mit dieser Forderung Schiffbruch erlitten. Das Düsseldorfer Landgericht wies eine Klage der Firma gegen die Apothekerkammer Nordrhein ab (Aktenzeichen 15 O 436/16). Es ging um einstweilige Verfügungen, welche die Apothekerkammer von 2012 bis 2015 erwirkt hatte und durch die Docmorris seine Geschäftspolitik hatte ändern müssen. Die Firma hatte zum Beispiel Kunden mit Gutscheinen für Hotels oder eine Automobilclub-Mitgliedschaft gelockt, dies nach Intervention der Apotheker aber eingestellt.

Aus Sicht von Docmorris waren die Interventionen der Apotheker unrechtmäßig. Ihre Klage stützte die Firma auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2016, das die Preisbindung für Online-Apotheken mit grenzüberschreitendem Geschäft gekippt hatte.

Das Düsseldorfer Landgericht teilte die Rechtsauffassung von Docmorris allerdings nicht. Das EuGH-Urteil spiele für den vorliegenden Sachverhalt keine entscheidende Rolle, stellte die Vorsitzende Richterin fest. Sie bezog sich stattdessen unter anderem auf das Heilmittelwerbegesetz, demzufolge "Zugaben" - etwa Gutscheine - als Kaufanreiz für Heilmittel verboten sind. "Die Verfügungen wären auch schon deswegen zu erlassen gewesen, weil das Heilmittelwerbegesetz und Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb das vorsehen", erklärte eine Gerichtssprecherin das Urteil.

Bei dem Urteil geht es um die Vergangenheit. Hat es auch Folgen auf die Gegenwart - also auf die Geschäftspolitik von Docmorris? Nein. Denn "Zugaben" wie damals gewährt der Online-Händler längst nicht mehr. Stattdessen bekommt man pro Arzneimittel in der Regel einen Bonus von 2,50 Euro, der auf die Zuzahlung angerechnet wird oder mit mehreren Boni ab einer gewissen Summe ausbezahlt wird. Bei dieser Geschäftspraxis stützt sich der Online-Händler auf das EuGH-Urteil und sieht sich dabei sattelfest.

Die Apothekerkammer Nordrhein war erfreut. "Die Verbraucher müssen eben davor geschützt werden, dass sie durch das Inaussichtstellen von geldwerten Vorteilen davon abgehalten werden, die qualitativ hochwertigere Beratung in den deutschen Präsenzapotheken in Anspruch zu nehmen und stattdessen ihre Arzneimittel bei ausländischen Versandapotheken bestellen", sagte die Vize-Geschäftsführerin Bettina Mecking. Selbst der EuGH habe diesen Versandapotheken attestiert, nicht im gleichen Maße pharmazeutische Beratung anbieten zu können wie stationäre Apotheken.

Der Docmorris-Sprecher sagte, man werde die schriftliche Urteilsbegründung prüfen und dann das weitere Vorgehen entscheiden.


SAP: Das Abfindungsprogramm wird teurer als gedacht

$
0
0

Walldorf. (dpa)  Das laufende Abfindungsprogramm wird für Europas größten Softwareanbieter SAP kostspieliger als ursprünglich geplant. Nachdem sich in Deutschland mehr Mitarbeiter als erwartet für das Vorruhestandsprogramm registriert haben, legt SAP noch einmal knapp 200 Millionen Euro beiseite, wie aus dem am Donnerstag vorgelegten Quartalsbericht hervorgeht. Damit summieren sich die Kosten auf knapp 1,1 Milliarden Euro.

Zuletzt war die Rede von 1870 Mitarbeitern, die sich hierzulande für eine Vorruhestandsregelung oder eine Abfindung registriert hatten. Mit wie vielen SAP sich aber am Ende tatsächlich einigen wird, könne man noch nicht sagen, sagte Finanzchef Luka Mucic. Denn auch das Unternehmen muss zustimmen, damit ein Mitarbeiter SAP verlassen kann. Ursprünglich hatte SAP mit 1200 geplant.

Im Januar hatte der Konzern die erste größere Umbaurunde nach 2015 angestoßen, bis zu 4400 Mitarbeiter sollen in andere Funktionen wechseln oder auch mittels Abfindungen die Firma verlassen. Zuletzt beschäftigte SAP weltweit 98 300 Mitarbeiter. Zum Jahresende sollen es aber trotz der Abfindungen mehr sein. Denn gleichzeitig wird in anderen Bereichen eingestellt. Auf diese Weise will die Firma mit den Veränderungen in der Technologiebranche mithalten. Im ersten Quartal sorgten die Kosten für das Programm von fast 900 Millionen Euro zum ersten Mal seit knapp 17 Jahren für einen Quartalsverlust.

Soweit kam es im zweiten Quartal nicht. Unterm Strich ging das Ergebnis aber um 19 Prozent auf 582 Millionen Euro zurück. Neben dem Abfindungsprogramm schlug auch die aktienbasierte Vergütung stärker zu Buche, weil sich der Kurs der SAP-Aktie so gut entwickelt hatte. Hinzu kamen Kosten im Zusammenhang mit Übernahmen.

Der Umsatz kletterte von April bis Juni vor allem dank des boomenden Cloudgeschäfts um elf Prozent auf 6,6 Milliarden Euro. Insbesondere eine der jüngsten Milliarden-Übernahmen - die des Marktforschungsunternehmens Qualtrics - hatte sich nach den Worten von SAP-Chef Bill McDermott ausgezahlt. Dagegen bremste der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China das Asiengeschäft. McDermott rechnet aber damit, dass die verschobenen Projekte der SAP-Kunden noch realisiert werden.

An seinen Zielen für das Gesamtjahr rüttelte der SAP-Vorstand deshalb nicht. McDermott hatte mit den Zahlen zum ersten Quartal eine positive Entwicklung bei der Profitabilität versprochen. Mit dem Schwenk zur Cloudsoftware aus dem Internet war sie mehrere Jahre in Folge gesunken. Die Software zur Miete konnte noch nicht mit den Gewinnen aus großen Einmalzahlungen für Softwarelizenzen mithalten. SAP hat seine Kernsoftware zur Unternehmenssteuerung inzwischen in die Cloud gehievt und verzeichnet auch hier mehr Kundschaft. Künftig soll eine Kooperation mit dem Chiphersteller Intel das noch beschleunigen.

McDermott muss nach seiner Ansage nun unter Beweis stellen, dass sich die milliardenschweren Zukäufe der vergangenen Jahre auszahlen und das Cloudgeschäft die versprochenen Gewinne auch einfahren kann. Für Callidus hat SAP vergangenes Jahr 2,4 Milliarden US-Dollar ausgegeben, für Qualtrics rund 8 Milliarden Dollar. Der Konzern wildert damit immer stärker im Revier des US-Rivalen Salesforce, der auf Software für Vertrieb und Kundenkontakt spezialisiert ist. Nun sind größere Zukäufe bei SAP vorerst tabu: Schulden sollen abgebaut werden, auch Aktienrückkäufe sind geplant. Details dazu werden aber erst im November bekannt gegeben.

Heidelberger Druckmaschinen: Heideldruck kassiert Gewinnprognose

$
0
0

Wiesloch. (kla) Heidelberger Druckmaschinen hat seine Gewinnziele fürs laufende Geschäftsjahr gesenkt. Zwar erwartet man nach wie vor einem Umsatz auf dem Niveau des Vorjahres aus, wie der Konzern am späten Mittwochabend mitteilte.

Doch rechnet Heideldruck mit einer geringeren Profitabilität. Als Grund nennt der Maschinenbauer konjunkturelle Eintrübungen und damit verbundene Investitionszurückhaltungen.

Dieser „Ergebnisbelastung“ werde man „mit kurzfristig wirkenden Maßnahmen sowie auch nachhaltigen Strukturverbesserungen begegnen“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Rainer Hundsdörfer. Als Konsequenzen habe der Vorstand beschlossen, geplante Investitionen zu überprüfen, die Kostendisziplin deutlich zu erhöhen sowie Instrumente zur kurzfristigen Arbeitszeitflexibilisierung  zu nutzen, um das operative Ergebnis zu stabilisieren.

Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres ging der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,2 Prozent auf 502 Millionen Euro zurück. Die vollständigen Zahlen über das erste Quartal legt Heidelberger Druckmaschinen am 6. August vor.

Die Aktie des Unternehmens brach in Reaktion auf eine gesenkte Gewinnprognose am Donnerstagvormittag um bis zu 17 Prozent auf gut 1,12 Euro ein.

Südzucker Mannheim: "Zucker ist wie Kohle - keiner will das mehr"

$
0
0

Von Harald Berlinghof

Mannheim. "Die Dividende wird mehr als halbiert, der Gewinn rauscht in den Keller, das Zuckersegment macht einen Rekordverlust, die Schulden wachsen. Und dabei haben wir noch Glück gehabt. Denn die Vorstandsbezüge sind - auch in ihrem variablen Teil - stabil geblieben." Mehr Sarkasmus als ihn Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bei der Südzucker-Hauptversammlung an den Tag legte, geht kaum. Und er war er nicht der einzige Redner im Mannheimer Rosengarten, der die Vorstandsvergütung angesichts eines "mittelgroßen Desasters" im abgelaufenen Geschäftsjahr kritisierte.

Gleichbleibend 1,9 Millionen Euro als variabler Teil der Vergütung, der sich eigentlich am Unternehmenserfolg messen sollte, sind ihm "angesichts einer solchen Unternehmensentwicklung" zu viel. Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung institutioneller Privatanleger (VIP) schlug in dieselbe Kerbe. "Werke werden geschlossen. Mitarbeiter müssen gehen. Der Gewinn ist weg. Aber der Vorstand ist noch da. Und wird auch noch mit demselben Geld bezahlt", monierte er. Dann kam er zum Grundsätzlichen.

Das Image des Zuckers sei bei vielen Verbrauchern ins Bodenlose gefallen. "Zucker ist wie Kohle. Keiner will das mehr", so seine Diagnose. Und beim gegenwärtigen Preisverfall aufgrund von Neuordnungen im Zuckermarkt könne "man mit Zucker keine Kohle mehr machen". Tatsächlich haben die Nicht-Zucker-Bereiche des Konzerns im abgelaufenen Geschäftsjahr das Unternehmen vor einem negativen Ergebnis gerettet, wie Vorstandschef Wolfgang Heer zuvor in seinen Ausführungen erläuterte. Mit gerade einmal noch 27 Millionen Euro Gewinn habe man 2018/2019 einen historisch niedrigen Wert vorgelegt. Das Zuckersegment hatte dabei einen Rekordverlust von 239 Millionen Euro beigesteuert, das die anderen drei Segmente mit 266 Millionen Euro Gewinn auffangen mussten. Der Umsatzanteil der Nicht-Zuckeraktivitäten im Konzern erhöhte sich von 57 auf 62 Prozent.

Kritisiert wurde von den Aktionärsvertretern, dass man für Produktinnovationen, für die man in der Gesellschaft eine hohe Akzeptanz erwarten könne, zu wenig die Werbetrommel rührt. Dazu gehört die biologisch abbaubare Plastiktüte auf Stärkebasis. Große Hoffnung setzt man auch auf die neuen Erneuerbaren-Energien-Richtlinien, die bis 2030 gelten und wo festgeschrieben wurde, dass der Anteil an Erneuerbaren Energien im Transportsektor steigen soll. Mit dem Biokraftstoff Super E10 hat man ein Produkt der Südzucker-Tochter Crop Energies im Portfolio, das bundesweiten CO2-Ausstoß verringern könnte.

Trotz der schlechten Geschäftszahlen des Jahres 2018/2019 beschloss die Hauptversammlung eine Dividende von 20 Cent je Aktie, nach 45 Cent im Jahr zuvor. Auch ins neue Jahr ist der Konzern nicht gut gestartet. Im ersten Quartal verringerte sich das operative Ergebnis von 78 auf 47 Millionen Euro. Das Zuckersegment war erneut negativ. Für das Gesamtjahr erwartet Südzucker einen Umsatz zwischen 6,7 und 7 Milliar-den Euro und einen Gewinn zwischen null und 100 Millionen Euro. Ein Umschwung sei noch nicht erkennbar, so Heer. Und die angekündigten Restrukturierungsmaßnahmen mit fünf Werkschließungen - drei in Deutschland und zwei in Frankreich - und 700 Mitarbeitern weniger werden sich erst ab 2020/ 2021 bemerkbar machen.

Heideldruck und SAP: Gleich zwei Unternehmen aus der Region belasten Aktienmarkt

$
0
0

Von Barbara Klauß

Wiesloch/Walldorf. Gleich zwei Unternehmen aus der Region haben am Donnerstag den deutschen Aktienmarkt belastet. So rutschte die Aktie des Börsenschwergewichts SAP nach der Veröffentlichung der Zahlen zum zweiten Quartal um zehn Prozent ab, kurzzeitig wurde der Handel sogar unterbrochen. Beim SDax-Konzern Heidelberger Druckmaschinen brach der Kurs nach einer Gewinnwarnung zwischenzeitlich um 17 Prozent auf gut 1,12 Euro ein.


> Heidelberger Druckmaschinen: "Heftig" und "dramatisch" - mit diesen Worten beschrieben Analysten und Beobachter die vorläufigen Zahlen, die Heidelberger Druckmaschinen am Mittwochabend veröffentlichte. Demnach verdoppelte sich der Verlust nach Steuern im ersten Quartal auf 31 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auftragseingang und Umsatz gingen zurück. Das Geschäftsjahr ist erst wenige Monate alt - und doch müssen die Wieslocher bereits jetzt ihre Ziele senken. Und auch die rund 11.600 Mitarbeiter (5000 in der Region) werden diese Entwicklung wohl zu spüren bekommen.

Der Konzern erklärt den schlechten Start ins Geschäftsjahr mit der konjunkturellen Eintrübung und einer zunehmenden Zurückhaltung der Kunden beim Maschinenkauf. Begegnen will der Vorstand dieser Entwicklung, indem er geplante Investitionen überprüfe und die Kostendisziplin deutlich erhöhe, wie es in einer Mitteilung heißt. "Insgesamt schnallen wir jetzt auf allen Ebenen den Gürtel enger", erklärt ein Unternehmenssprecher. Es sollen auch Instrumente zur kurzfristigen Arbeitszeitflexibilisierung genutzt werden. Das heißt: In den Bereichen, in denen die Auslastung - auch wegen des zurückgegangenen Auftragseingangs - nicht so hoch ist, will der Konzern Arbeitszeitkonten nutzen und die Guthaben dort abbauen. "Wenn das nicht reicht, ist Kurzarbeit als nächstes Instrument nicht auszuschließen", fügt der Sprecher hinzu.

Darüber hinaus sollen die bereits laufenden Programme beim Sparen helfen: Etwa der Ausbau der Shared Services. Darunter versteht man, dass Standardprozesse etwa im Verwaltungsbereich nicht mehr dezentral an den jeweiligen Standorten, sondern zentral an billigeren Standorten wie etwa in Osteuropa erbracht werden. Es gibt ein Altersteilzeitprogramm. Verlässt jemand aus Altersgründen das Unternehmen, wird seine Stelle nicht automatisch nachbesetzt. Die Mitarbeiterzahl aber, bekräftigt der Sprecher am gestrigen Donnerstag noch einmal, soll insgesamt stabil bleiben. Der Konzern baue bei digitalen Themen Mitarbeiter auf.

Einen Beitrag zur Kostensenkung leistet auch der neue Industriepark "Heidelberg Digital Campus of Things", den der Konzern auf einem Drittel des Gelände seines Stammwerks in Wiesloch errichten will. Alte, leer stehende Hallen sollen abgerissen, in Neubauten andere Unternehmen angesiedelt werden. Die derzeitige Produktion, betonte Finanzvorstand Dirk Kaliebe kürzlich, werde am Standort gehalten.

All diese Restrukturierungs- und Sparpläne können Beobachter jedoch nicht überzeugen. Als "unerfreulich", bezeichnet etwa Mirko Geiger, erster Bevollmächtigter der IG Metall Heidelberg, die Situation des Maschinenbauers. Dass man Prozesse überarbeiten und das Unternehmen restrukturieren wolle - "das höre ich jetzt seit zehn Jahren", sagt der Gewerkschafter. "Irgendwann muss man auch mal eine Verbesserung sehen."

Natürlich, fügt er hinzu, sei die Arbeitnehmerseite dafür, Prozesse zu verbessern. Auch gegen kurzzeitige Kurzarbeit sperre man sich in konjunkturell schwierigen Zeiten nicht. Doch solle der Vorstand nicht denken, dass wieder die Arbeitnehmer den Kopf hinhielten für Versäumnisse. "Der Mitarbeiter ist nicht der Libero, der alles ausbadet."

Der Konzern steckt mitten im Umbau: In einer "digitalen Transformation", wie Vorstandschef Rainer Hundsdörfer den Ausbau digitaler Geschäftsmodelle nennt. Dazu zählt das neue Subskriptionsmodell, bei dem Kunden die Maschinen nicht kaufen, sondern mieten und pro bedrucktem Bogen zahlen. Hier entwickle sich die Nachfrage positiv, teilt das Unternehmen mit. Im Juni war von rund 30 Verträgen die Rede. Doch fließt bei diesem Modell das Geld, anders als beim Verkauf einer Druckmaschine, erst später. Der Heidelberger IG Metall-Chef Geiger ist zuversichtlich, dass das Modell funktionieren kann. Andere sehen das kritischer. Brancheninsider zweifeln daran, dass es tatsächlich zur Gewinnsteigerung betragen wird.

Geiger macht ein anderes Problem aus: den Digitaldruck. Die Technik, die Heideldruck in diesem Bereich habe, sei wirklich gut, erklärt er. Allerdings müsse man sie auch in die Druckereien bringen. "Man muss die Chance nutzen, mit einem technologischen Aufschlag auch zu punkten", meint er.

Auch an der Börse kamen die Zahlen gestern gar nicht gut an. Die Aktie des SDax-Unternehmens brach zwischenzeitlich um 17 Prozent auf 1,10 ein. Am Abend stand sie bei 1,13 Euro. Analyst Eggert Kuls von Warburg Research schrieb von der "nächsten Enttäuschung" - beließ die Einstufung aber auf "Hold". Die DZ Bank hingegen stufte Heidelberger Druck von "Kaufen" auf "Verkaufen" ab. Das erste Geschäftsquartal sei schwach ausgefallen und das Ausmaß der Gewinnwarnung heftig, schrieb Analyst Thorsten Reigber.

Für das Gesamtgeschäftsjahr geht Heidelberger Druck nach wie vor von einem Umsatz auf dem Niveau des Vorjahres aus. Beim Ergebnis nach Steuern rechnet man nur noch mit einer schwarzen Null. Bislang hatte das Unternehmen ein leichtes Plus erwartet.


> SAP: Das laufende Abfindungsprogramm wird für Europas größten Softwareanbieter SAP kostspieliger als ursprünglich geplant. Nachdem sich in Deutschland mehr Mitarbeiter als erwartet für das Vorruhestands- und Abfindungsprogramm registriert haben, legt SAP noch einmal knapp 200 Millionen Euro beiseite, wie aus dem am gestrigen Donnerstag vorgelegten Quartalsbericht hervorgeht. Damit summieren sich die Kosten auf knapp 1,1 Milliarden Euro.

Zuletzt war die Rede von 1870 Mitarbeitern, die sich hierzulande für eine Vorruhestandsregelung oder eine Abfindung registriert hatten. Mit wie vielen SAP sich aber am Ende tatsächlich einigen wird, könne man noch nicht sagen, sagte Finanzchef Luka Mucic. Denn auch das Unternehmen muss zustimmen, damit ein Mitarbeiter SAP verlassen kann. Ursprünglich hatte SAP mit 1200 geplant.

Im Januar hatte der Konzern die erste größere Umbaurunde nach 2015 angestoßen, bis zu 4400 Mitarbeiter sollen in andere Funktionen wechseln oder auch mittels Abfindungen die Firma verlassen. Zuletzt beschäftigte SAP weltweit 98.300 Mitarbeiter, 15.000 davon in der Region. Zum Jahresende sollen es aber trotz der Abfindungen mehr sein. Denn gleichzeitig wird in anderen Bereichen eingestellt. Auf diese Weise will die Firma mit den Veränderungen in der Technologiebranche mithalten. Im ersten Quartal sorgten die Kosten für das Programm von fast 900 Millionen Euro zum ersten Mal seit knapp 17 Jahren für einen Quartalsverlust.

Soweit kam es im zweiten Quartal nicht. Unterm Strich ging das Ergebnis aber um 19 Prozent auf 582 Millionen Euro zurück. Neben dem Abfindungsprogramm schlug auch die aktienbasierte Vergütung stärker zu Buche, weil sich der Kurs der SAP-Aktie so gut entwickelt hatte. Hinzu kamen Kosten im Zusammenhang mit Übernahmen. Der Umsatz kletterte von April bis Juni vor allem dank des boomenden Cloudgeschäfts um elf Prozent auf 6,6 Milliarden Euro.

Insbesondere eine der jüngsten Milliarden-Übernahmen - die des Marktforschungsunternehmens Qualtrics - hatte sich nach den Worten von SAP-Chef Bill McDermott ausgezahlt. Dagegen bremste der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China das Asiengeschäft. McDermott rechnet aber damit, dass die verschobenen Projekte der SAP-Kunden noch realisiert werden.

An seinen Zielen für das Gesamtjahr rüttelte der SAP-Vorstand deshalb nicht. McDermott hatte mit den Zahlen zum ersten Quartal eine positive Entwicklung bei der Profitabilität versprochen. Mit dem Schwenk zur Cloudsoftware aus dem Internet war sie mehrere Jahre in Folge gesunken. Die Software zur Miete konnte noch nicht mit den Gewinnen aus großen Einmalzahlungen für Softwarelizenzen mithalten.

SAP hat seine Kernsoftware zur Unternehmenssteuerung inzwischen in die Cloud gehievt und verzeichnet auch hier mehr Kundschaft. Künftig soll eine Kooperation mit dem Chiphersteller Intel das noch beschleunigen.

McDermott muss nach seiner Ansage nun unter Beweis stellen, dass sich die milliardenschweren Zukäufe der vergangenen Jahre auszahlen und das Cloudgeschäft die versprochenen Gewinne auch einfahren kann. Für Callidus hat SAP vergangenes Jahr 2,4 Milliarden US-Dollar ausgegeben, für Qualtrics rund 8 Milliarden Dollar.

Der Konzern wildert damit immer stärker im Revier des US-Rivalen Salesforce, der auf Software für Vertrieb und Kundenkontakt spezialisiert ist. Nun sind größere Zukäufe bei SAP vorerst tabu: Schulden sollen abgebaut werden, auch Aktienrückkäufe sind geplant. Details dazu werden aber erst im November bekannt gegeben.

Heidelberg: SRH macht mehr als eine Milliarde Umsatz

$
0
0

Heidelberg. (RNZ) Die SRH ist im abgelaufenen Geschäftsjahr weiter gewachsen, wie das Heidelberger Bildungs- und Gesundheitsunternehmen am Freitag mitteilte. Der Umsatz stieg demnach um 5,5 Prozent auf 1,022 Milliarden Euro. Zur Steigerung habe vor allem die Übernahme der SRH Gesundheitszentren Nordschwarzwald beigetragen, hieß es. Der Jahresüberschuss sank laut Mitteilung von 34,4 auf 22,6 Millionen Euro.

Das Unternehmen führt das auf steigende Personalkosten und Sondereffekte zurück. Gut 116 Millionen Euro hat die SRH in Neubauten, Modernisierung und Innovation investiert. Die SRH betreibt private Hochschulen, Bildungszentren, Schulen und Krankenhäuser. In den 44 Tochterunternehmen sind rund 14.500 Mitarbeiter beschäftigt, gut 1200 mehr als im Vorjahr.

Viewing all 4232 articles
Browse latest View live