Von Jens Schmitz
Stuttgart. (RNZ) Das Porsche-Ausbildungszentrum für Kfz-Mechatroniker ist ein langes, lichtes Gebäude. Aus der Nachbarhalle dröhnt ab und zu das Röhren hochgezüchteter Verbrennungsmotoren, doch beim Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik spielt sich die Arbeit größtenteils still ab. Ein Zukunftstrend, wenn die Branche nicht irrt: 2019 ist das Jahr, in dem auch Baden-Württembergs Premiumhersteller mit rein elektrischen Pkw an den Start gehen.
"Die Zukunft ist elektrisch - davon sind wir bei Daimler überzeugt", heißt es auf der Homepage der anderen großen Stuttgarter Autofirma. Nach dem Smart und einer Episode mit der B-Klasse kommt 2019 der Mercedes-Benz EQC zu den Händlern, ein vollelektrisches SUV. "E-tron ist die Zukunft", variiert Audi, der Autohersteller aus Ingolstadt, der seine Geländelimousine seit Anfang des Jahres in Europa verkauft. Porsche will im September mit dem Taycan einen E-Sportwagen präsentieren - und nichts weniger als die "Vision eines neuen Zeitalters".
Bis 2030 möchte die Bundesregierung allein in Deutschland zehn Millionen E-Autos auf die Straße bringen. Kritiker zweifeln, ob sich das Konzept außerhalb von industrialisierten Ländern mit Fördertöpfen durchsetzen lässt. Doch junge Menschen, die Kfz-Mechatroniker werden wollen, kommen um die Technik nicht mehr herum - und wollen es oft auch gar nicht.
Die 19-Jährige Lara Grantner hat für ihre Ausbildung den Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik gewählt, der unter anderem Elektromotoren vertieft. "Weil das eben der Beruf ist, der Zukunft hat", sagt sie. "Es wird ja immer mehr mit der E-Mobilität." Ihre Kollegin Emily Dageförde (18) pflichtet bei: "Als ich mich über Berufsbilder informiert habe, spielte der Dieselskandal eine große Rolle; da habe ich den Schwerpunkt etwas mehr Richtung Elektro gesetzt. Es wird auch alles immer vernetzter." Die beiden Teenager sind im ersten von gut drei Lehrjahren.
Rotes T-Shirt, schwarze Hose: Weiche Arbeitskleidung in Firmenfarben bekommen die Azubis gestellt, Schmuck und Gürtelschnallen sind nicht erlaubt. "Man muss die jungen Leute schon manchmal daran erinnern, womit wir hier arbeiten", sagt der technische Ausbildungsleiter Norbert Göggerle (48) neben einem 918-Hybrid für 800.000 Euro.
Porsche ist kein normaler Arbeitgeber. Viele Jugendliche bringen aber auch spezielle Erfahrungen mit: Wie bei wenigen anderen Marken gehört der Klang des Motors zum Image. Der Sound zwischen Blubbern, Knattern und ungestümem Gebrüll hat Generationen von Fans fasziniert. "Es gibt viele Wege zu Porsche zu finden", sagt der 17-jährige Michael Beck, Azubi im zweiten Lehrjahr, und schmunzelt. Aber der über diesen speziellen Sound gehört für ihn auf jeden Fall dazu.
Wenn ein Porsche-Pressesprecher nun also erklärt: "Wir haben uns jetzt ganz klar dem Elektroantrieb verschrieben", klingt das mutig: Elektromobilität ist geräuschlos. Sie bedroht ein zentrales Element des Firmen-Mythos. Doch Beck ist schon im zweiten Lehrjahr auf System- und Hochvolttechnik spezialisiert und die Inhalte haben sich ohnehin längst verändert. Schweißen zum Beispiel, sagt Berufsbildungs-Chef Dieter Esser, sei kaum noch relevant. "Dafür gewinnt man mehr Zeit für Dinge, die man braucht, um ein Elektroauto zum Laufen zu bringen." Elektromobilität bilde keinen eigenen Block, sondern laufe bei den anderen Einheiten mit, unabhängig vom Schwerpunkt. Dessen Vertiefung mache dann acht bis zwölf Wochen aus.
"Die Schwierigkeit in dem Beruf kommt nicht vom Elektroantrieb her", erklärt der 64-Jährige. "Die Schwierigkeit kommt von der Vernetzung des gesamten Fahrzeugs." Die größte Veränderung sei vor Jahren der Wandel vom Kfz-Mechaniker zum -Mechatroniker gewesen: Es gebe heute kaum noch ein Bauteil ohne Kabel. "Sie müssen dieses Netzwerk im Auto beherrschen. Und wenn man das gut verstanden hat, erschließt sich die Elektromobilität relativ problemlos."
Neben Forschergeist und einem Interesse für Computer sollen angehende Kfz-Mechatroniker heute deshalb vor allem Offenheit mitbringen: "Dass man auch das Fahrzeug mit einem Elektromotor mit Begeisterung aufnimmt!"
Bei Porsche ist viel Respekt zu hören für Tesla, das ehemalige Start-Up aus Kalifornien, das das E-Konzept quasi im Alleingang populär gemacht hat. Gewinn erwirtschaftete das Unternehmen von US-Milliardär Elon Musk allerdings lange nicht. Porsche glaubt wie andere traditionelle Hersteller, das sei erst möglich, wenn Batterie-Reichweite und Ladenetz-Dichte Kunden den gewohnten Reisekomfort ermöglichen. Dieser Zeitpunkt ist näher gerückt: Im Frühjahr waren in Deutschland mehr als 17.400 öffentliche Ladepunkte installiert. Mehr als sieben Prozent der neu zugelassenen Pkw hatten im Mai einen E-Motor an Bord, die große Mehrheit davon als Hybrid.
Hybrid gefahren sind die Porsche-Azubis auch schon, ob hinterm Steuer oder auf dem Beifahrersitz. "Das Gefühl kann man schlecht beschreiben", sagt Michael Beck: "Der Druck im Sessel, aber auch das Zuschalten des Verbrenners beim Verlassen der Ortschaft ..." Der Schwerpunkt E-Mobilität hat auch die 17-jährige Olivia Kanaan überzeugt: "Es hat etwas mit der Zukunft zu tun, aber ich finde es auch interessant, wie E-Motoren und Verbrenner zusammenspielen."
Trotzdem definieren traditionelle Motoren bis heute bei Porsche das, was Esser "die hochemotionalen Fahrzeuge" nennt. Der Taycan soll das ändern: Im September will Porsche einen Sportwagen mit 800 Volt vorstellen, der 600 PS und eine Reichweite bis zu 500 Kilometern auf die Straße bringen soll. Die Zuffenhausener sind sicher, dass sie damit technisch in einer eigenen Liga spielen. "Das ist einfach eine Rakete", sagt Göggerle. "Das Fahrzeug ist hoch agil, das drückt einen noch mehr in den Sitz als die vergleichbaren hochmotorisierten Benzinfahrzeuge. Und das ist etwas, das Begeisterung weckt vor dem Hintergrund, dass wir ja hier Autos bauen, die im Prinzip keiner braucht, aber jeder will."
Der Pressesprecher spricht bereits von "Heritage", wenn er das Verbrenner-Angebot seines Hauses nach vorn denkt. Beim klassischen 911 soll es das weiter geben, und auch Hybrid-Modelle bleiben dauerhaft im Programm. Das Image der Zukunft jedoch sollen kompromisslose E-Sportwagen prägen. "Nicht nur, weil diese Technik aktuell am weitesten fortgeschritten ist, sondern, weil sie am besten zur Marke Porsche passt", sagt der Sprecher. Andere Firmen haben durchaus auch Konzepte wie die Brennstoffzelle im Blick. "Aber für Porsche ist es wirklich die E-Mobilität."
Seit Februar wird die Belegschaft in eigens errichteten Hallen für die Taycan-Produktion geschult. Die Azubis sind vom ersten Lehrjahr an eingebunden in die Technologie des bislang geheimen Fahrzeugs. "Das ist etwas ganz Neues", freut sich Grantner, die privat einen Golf fährt. Ausbildungschef Esser hofft, dass die Strategie sich auszahlt: "Vielleicht ist es in ein paar Jahren wirklich so, dass Leute, die ein schnelles benzingetriebenes Auto haben, an der Ampel sagen, ich messe mich nicht mit einem Elektrofahrzeug - auf einem Pferd trete ich ja auch nicht gegen Sportwagen an."